Lockerung der Residenzpflicht – schärfere Gesetze gegen sogenannte „Integrationsverweigerer“

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Die Bundesregierung hat am 27.10.2010 einen Gesetzesentwurf beschlossen, der unter anderem eine verschärfte Repression gegen »Integrationsverweigerer« bedeutet, aber auch eine Reihe von Änderungen der Residenzpflicht. Den überfälligen Schritt der generellen Abschaffung der Residenzpflicht zögert die Bundesregierung weiter hinaus.

Der Gesetzesentwurf betrifft zwei Punkte: Zum einen soll der Zugang von Asylsuchenden und Geduldeten zum Arbeitsmarkt und zu Bildungseinrichtungen erleichtert werden, wie schon im Koalitionsvertrag angekündigt. Dazu sollen das Asylverfahrensgesetz und das Aufenthaltsgesetz geändert werden, indem zusätzliche »Verlassensgründe« aufgenommen werden: Schulbesuch, betriebliche Aus- und Weiterbildung und Studium an einer Hochschule. Zum anderen soll für Landesregierungen eine »Ermächtigungsgrundlage« geschaffen werden, sodass Aufenthaltbereiche von Asylsuchenden länderübergreifend zusammengelegt werden können. Offensichtlich standen die Erlasse in Berlin und Brandenburg dafür Pate. Das Rechtsgutachten zur Residenzpflicht, das der Berliner Anwalt Rolf Stahmann im Auftrag des Brandenburger Flüchtlingsrats erstellt hatte, hielt diese Lockerung schon bei der alten Gesetzeslage für möglich.

Auf der anderen Seite wurden Sanktionen gegen sogenannte “Integrationsverweigerer” im Gesetz verankert. Dabei müssen Ausländer, die unentschuldigt ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen nicht nachkommen, schon heute mit gravierenden aufenthalts- und sozialrechtlichen Folgen rechnen.

„Das“, so Jürgen Micksch, der Vorsitzende des Interkulturellen Rates, „hat Tradition!“ Nach Integrationsdebatten haben Bundesregierungen regelmäßig verschärfende Gesetze gegen Migranten erlassen. Ein Beispiel ist das Asylbewerberleistungsgesetz, das bis heute rassistische Diskriminierungen für Flüchtlinge enthält.

Begründet werden die beabsichtigten Sanktionen mit der Formel „Multikulti ist gescheitert“. Dieser Satz ist eine neue Variante der Behauptung „Deutschland ist kein Einwanderungsland“, mit der jahrzehntelang eine sinnvolle Integrationspolitik verhindert wurde.

Es sind politische Entscheidungen, die für die Verarmung und soziale Deklassierung zunehmender Teile der Bevölkerung verantwortlich sind. Reden wir davon, wie dieses Deutschland jahrzehntelang den Eingewanderten ihre sozialen und politischen Rechte vorenthalten hat. Reden wir davon, dass MigrantInnen der Zugang zu Bildung, Wohnraum und Arbeitsplätzen, in öffentliche Institutionen und Ämter ebenso wie in Clubs und Fußballvereine systematisch erschwert wird. Das Problem sind weder die Armen noch die MigrantInnen, das Problem ist eine Politik, die Armut und Rassismus produziert. Das Problem ist eine Gesellschaft, die sich auch über Ausgrenzung definiert.

Quellen: http://www.residenzpflicht.info/news/bundesregierung-lockert-residenzpflicht/, http://www.interkultureller-rat.de/wp-content/uploads/PM-271010-Kabinett-Integration.pdf und http://www.demokratie-statt-integration.kritnet.org/