Was ist Isolationshaft?

Isolationshaft oder Einzelhaft kommt in Abschiebeknästen regelmäßig unter dem offiziellen Sprech als Abwehr eines Selbst-, Fremdgefährdungs-Potentials oder als Sanktionsmaßnahme zur Anwendung.
Nach den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen, der sogenannten Nelson-Mandela-Regeln bedeutet Isolationshaft eine ununterbrochene Isolation von anderen Inhaftierten über mindestens 22 Stunden täglich.

Die Nelson-Mandela-Regeln 43-46 stellen klar, dass Isolationshaft nur als Ultima-Ratio-Maßnahme mit kürzestmöglicher Zeitspanne und unabhängiger Überwachung angewendet werden soll. Eine Verhängung bei psychischen Erkrankungen wird grundsätzlich abgelehnt, sofern der Zustand sich durch die Maßnahme verschlechtern würde.
Regel 43 verbietet unter anderem die Anwendung von Zwangsmitteln als Strafe für Disziplinarverstöße sowie unausgesetzte Einzelhaft und Langzeit-Einzelhaft (mehr als 15 aufeinanderfolgende Tage).

Als Mitglied der Vereinten-Nationen hat Deutschland sich mit seinen Institutionen grundsätzlich an die Mindestrichtlinien zu halten. Die Anwendung von Isolationshaft im Abschiebeknast Büren ist vor diesem Hintergrund unter verschiedenen Gesichtspunkten besorgniserregend.

Isolationshaft wird im Abschiebeknast Büren unterschiedlich durchgeführt und kann in zwei „Formen“ unterteilt werden, welche jeweils die Möglichkeit zu weiteren Einschränkungen offen halten:
Üblicherweise werden die von Isolationshaft betroffenen 22 Stunden täglich in eine Einzelzelle gesperrt. Jeweils eine Stunde am Tag sind Hofgang und Aufenthalt im Freizeitraum möglich. Über die Stunde Hofgang haben die Inhaftierten selbst keinerlei Kontrolle: Ist sie um 8 Uhr morgens angesetzt und wollen sie nach einer schlaflosen Nacht noch weiter liegen, entfällt der Hofgang. Kann der Betroffene wegen körperlicher Leiden wie starken Kniebeschwerden nur 5 Minuten laufen, dauert der Hofgang jene 5 Minuten.
Die zweite Form der Isolationshaft im Abschiebeknast Büren findet in dem „Keller“ Anwendung. Der Keller ist ein „besonders gesicherter Raum“, eine Gummizelle, in der die Betroffenen 24h am Tag bei ständiger Video-Überwachung verbringen müssen. Sie haben dort keine eigenen Gegenstände, kein Stift, kein Papier, keine Dokumente, kein Telefon. Und keinen Hofgang.

Die Isolationshaft kann einzelne Tage bishin zu mehreren Wochen andauern. Ein Bericht eines Insassen aus Büren beschreibt den Verbleib in Isolationshaft in den ersten 41 Tagen. Eine und selten zwei Stunden pro Tag habe er aufgrund von Personalmangel kurzzeitig die Isolationshaft verlassen dürfen.

Zusätzlich wird regelmäßig das Mittel der sogenannten Lebendkontrolle angewendet, d.h. dass dort alle 15 Minuten durch das Sicherheitspersonal ein Lebenszeichen kontrolliert wird und die Zeitpunkte der Kontrollen tabellarisch festgehalten werden. Sie kann extremen Schlafentzug zur Folge haben.

Weitere Einschränkungen bzw. Sanktionen in Isolationshaft sind Besuchsverbote, die Abnahme des Handys sowie die Verwehrung des Zugangs zu Telefon- und Internetnutzung, wodurch der Kontakt zur Außenwelt nicht mehr möglich ist.
Ebenfalls gibt es die Möglichkeit, Gegenstände zu untersagen. Die Betroffenen haben dann nichts mehr zu lesen oder zu schreiben, was neben dem Verlust von Beschäftigung, stark die Zugänge zu Anwält_innen und Rechtsmitteln einschränkt.

In vier deutschen Abschiebeknästen gibt es die Option, Inhaftierte zu fixieren. Dies bedeutet eine i.w. vollkommene Bewegungsunfähigkeit. Davon wurde bisher in Büren und Darmstadt Gebrauch gemacht. Gegenüber des Deutschlandfunks berichtete ein Betroffener von seiner 5-Punkt-Fixierung in Folge eines Suizidversuchs in einem Kellerraum in Büren: Er sei von fast zehn Sicherheitsleuten gewaltsam in den Keller gebracht worden. Dort auf eine Art Bett gelegt worden; Füße, Bauch und Hände seien gefesselt worden, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte. Die Fixierung wurde über zwölf Stunden durchgeführt.

Durch ein wegweisendes Urteil (vom BVerfG) gibt es seit 2019 Dokumentationspflichten für Fixierungen, die in Abschiebehaft aber in den dadurch notwendigen Gesetzesänderungen im Vergleich zu allen anderen Anwendungsbereichen sehr schwach ist (da stimmt was nicht):
In der Regel muss nach 30 Minuten Durchführung einer Fixierung eine gerichtliche Anordnung beschafft werden, oder die Maßnahme abgebrochen werden.
Im Abschiebeknast Büren kann diese nachträglich beschafft werden, in manchen Fällen sogar entfallen und durch eine Rechtsmittelbelehrung derjenigen, die die Fixierung durchgeführt haben, ersetzt werden.
Dokumentationspflichten an die zuständige Aufsichtsbehörde gibt es nur bei Fixierungen mit mind. 24 Stunden Dauer.

Eine häufige Begründung für Isolationshaft und andere Saktions-/ Einschränkungsmaßnahmen ist der Verdacht einer Suizidgefährdung. Dieser Verdacht besteht wenn beispielsweise vorherige Besuche bei Psycholog:innen bekannt sind, oder die Betroffenen direkt aus einer psychiatrischen Klinik in Abschiebehaft kommen.
Grundsätzlich ist die Vollzugsverwaltung laut der Nelson-Mandela-Regeln verpflichtet alle vertretbaren Vorkehrungen und Anpassungen vor zunehmen um sicherzustellen, dass Inhaftierte mit psychischen Beeinträchtigungen „auf Grundlage der Gleichberechtigung uneingeschränkt und wirksam am Anstaltsleben teilhaben können.“ (Regel 5.2).
Sofern Inhaftierte bereits auf Grundlage eines vorherigen Psycholog_innen Besuchs zur Abwehr von Eigen,- und Fremdgefährdung in Isolationshaft gesperrt werden kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesundheit Betroffener in Abschiebehaftknästen gewahrt werden kann.

Viele Geflüchtete erleben während, vor und nach der Flucht Traumata, weshalb grundsätzlich eine Retraumatisierungsgefahr besteht. Der Aufenthalt in einem Abschiebeknast stellt durch die Angst vor der drohenden Abschiebung und dem Freiheitsverlust eine sehr große psychische Belastung dar. Der Kontaktverlust zu Mitinhaftierten während der Isolationshaft oder die Anwendung von anderen einschränkenden Maßnahmen wirkt sich zusätzlich negativ auf die Psyche der Betroffenen aus.
Die medizinische Versorgung in Abschiebeknästen gilt als mangelhaft, so stellte das europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) 2018 fest, dass es an Psycholog_innen und wirksamen Maßnahmen zur Vorbeugung von Selbstverletzungen und Selbsttötung fehle.
Die vielschichtigen Belastungen in Kombination mit einer mangelhaften medizinischen Versorgung führen im Abschiebeknast Büren zu einem Teufelskreislauf, indem psychisch erkrankte Inhaftierte regelmäßig für Wochen in Isolationshaft verbleiben. Der Schutz vor Selbst,- und Fremdgefährdung dient als Begründung für die Isolation und als Mittel die mangelhafte Gesundheitsversorgung auszugleichen. Das Ergebnis ist eine desolate psychische Verfassung Betroffener und die Aufrechterhaltung der Isolationshaft durch das Knastpersonal.
Das dringend notwendige Bedürfnis nach einer Behandlung wird dabei wenig bis gar nicht beachtet.

Isolationshaft als Sanktionsmaßnahme wird in Büren gegen Inhaftierte angewandt, die „aggressives Verhalten“ aufweisen oder sich gegen das Knastpersonal auflehnen. Durch das Verbot von Zwangsmitteln als Strafe für Disziplinarverstöße stellen die Nelson-Mandela-Regeln dieses Vorgehen klar in Abrede.
Sehr problematisch ist die Durchführung von Sanktionsmaßnahmen wenn sich etwa Security-Personal durch einen Inhaftierten beleidigt oder angegriffen fühlt, da es sich dabei lediglich um eine reine außergerichtliche Prognose ohne tatsächliche Straftat handelt. Dies kommt auch im Kontext von „Gefährdern“ manchmal auf.

Menschenrechtler*innen kritisieren die fehlende Dokumentation der Praktiken: Es gibt keine offiziellen Statistiken zur Anzahl, Dauer und Anwendung von Isolationshaft, Fixierung, Lebendkontrolle, Isolation in „bgR“ aka Keller etc. Sie sind schwer zu überprüfen, wodurch Menschenrechtsverletzungen unsichtbar gemacht werden. Im Kontext von Isolation sind die Betroffenen den Securities schutzlos ausgeliefert. Es entsteht eine Blackbox mit Raum für Willkür, Demütigungen und Gewalt, insbesondere da die Betroffenen kaum eine reale Chance haben, dies gerichtlich aufzuarbeiten (während der Isolation, und erst recht nach der Abschiebung). Der Knast weiß das auch.

Die Begründung der Behörden für dieses Vorgehen lauten, die Abschiebung zu sichern, indem sie Insassen an Selbstverletzung oder Suizid hindern. Frank Gockel hält diese Praktiken für unhaltbar. „Wir müssen nicht, um jede Abschiebung zu sichern, Menschen vollkommen zerstören, foltern. Die Leute gehen kaputt in diesen Räumen.“

Quellen:

Nelson-Mandela-Regeln 
 
Originaltext englisch 
 
 
Johanna Solfen
Zur (Nicht-)Berücksichtigung psychischer Erkrankungen durch gesetzliche Abschiebungs-
verbote bzw. -hindernisse. Ein Praxisbericht aus der Abschiebehaftanstalt Büren  (S. 155-167)
 
Oumar Mamabarkindo/Lina Droste
Isolierung traumatisierter Menschen und erschwerter Zugang zu  Unterstützer*innen – Einblicke hinter die Mauern des Abschiebegefängnis  Büren  (S. 144-154)
 
Folteropfer in Büren
 
Deutschlandfunk: Zu Abschiebehaft Büren und Isohaft
 
Buch (256 S.) 
Lina Droste, Sebastian Nitschke
„Die Würde des Menschen ist abschiebbar – Einblicke in Geschichte, Bedingungen und Realitäten deutscher Abschiebehaft“