Pressemitteilung der Rabatz-Gruppe vom 06.07.2010 :
2.850 Euro für das einmalige Betreten des Rabatz
Paderborn. 95 Tagessätze á 30 Euro lautete das Urteil des Landgerichts Paderborn gegen Frank Gockel, dem vorgeworfen wurde, sich im Jahre 2007 im Rabatz, einen besetzten Haus in Paderborn, aufgehalten zu haben. In der Berufungsverhandlung am 05.07.2010 konnte Gockel zwar nur nachgewiesen werden, dass er auf Einladung der Ratsmitglieder der Stadt Paderborn und damit der Hausbesitzer im besetzen Haus war, dennoch ging das Gericht in der Verurteilung über das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft hinaus.
Eigentlich hätte es in der Gerichtsverhandlung um die Frage gehen müssen, ob die Verwaltung und die Politiker der Stadt Paderborn gegen den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verstoßen, da sie seit Jahrzehnten ein autonomes Kulturzentrum in Paderborn verhindern. Doch um diesen zentralen Punkt des Kulturnotstandes ging es nur in dem 40-minütigen Statement von Gockel, der aufzeigte, wie alt die Idee eines autonomen Freiraums in Paderborn war und wie wichtig die Umsetzung der Idee bis heute ist.
Die meisten Zeugen, die das Gericht geladen hatte, konnten sich kaum an den Sachverhalt erinnern oder verstrickten sich in massiven Widersprüchen zu vorangegangenen Aussagen. Gockel selber schwieg in dem Prozess zu der Frage, ob er im Rabatz war oder nicht. Er ging von vorneherein davon aus, dass er kein faires Verfahren bekommen würde. Alle Anträge auf Entlastungszeugen, die Gockel und sein Anwalt gestellt hatten, wurden vom Gericht abgelehnt. Letztendlich konnte Gockel nur nachgewiesen werden, dass er auf Einladung der Ratsfraktion der SPD im Rabatz war. Da der Rat der Stadt Paderborn Eigentümer des Hauses ist, konnte Gockel davon ausgehen, dass er im Namen der Hausbesitzer zu einer Diskussion geladen wurde und somit das Haus betreten durfte.
In einem normalen Verfahren wäre es unter diesen Umständen zu einem Freispruch gekommen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft war daher eine unsachliche und unzusammenhängendes Gestammele. Der Staatsanwalt forderte 90 Tagessätze offensichtlich nur, weil er es vorher angekündigt hatte und konnte hierfür keine richtige Begründung vorweisen.
In dem Verfahren ging es letztendlich jedoch um etwas anderes. Der Richter wollte Gockel um jeden Preis verurteilen. Zwei Mal hat er sich im Verfahren versprochen, beides Mal machte er dabei deutlich, dass er Gockel als schuldig ansehen würde. Doch warum die Härte? Letztendlich ging es darum, dass Gockel aufrecht im Gerichtssaal saß und nicht bereit war, sich in irgendeiner Weise einschüchtern zu lassen. So ermahnte Gockel den Richter, nicht immer dazwischen zu reden, weigerte sich, aufzustehen, wenn der Richter den Saal betrat, verteilter Schokolade an das Publikum und verlangte erfolgreich die Entfernung eines Kreuzes, was sich im Gerichtssaal befand.
Nachdem Gockel klar wurde, dass der Richter kein faires Urteil fällen würde, verließ er den Gerichtssaal. Obwohl das Gericht bereits in der Ladung mitgeteilt hatte, dass es ohne den Betroffenen verhandeln würde, wenn dieser nicht erscheint, merkten die Zuschauer dem Richter seine Wut an. Der Staatsanwalt forderte die sofortige Verhaftung von Gockel bis zum nächsten Verhandlungstag, worauf der Richter drohte, dass er erst in 14 Tagen Zeit hätte und Gockel dann eben solange in Haft sitzen würde. Letztendlich und nach vielen Drohgebärden merkte der Richter jedoch, dass es für eine Inhaftierung an einer gesetzlichen Grundlage fehlte und verkündete das Urteil in Abwesenheit von Gockel.
Mit 95 Tagessätzen blieb der Richter 5 Tagessätze über dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Die Begründung war dürftig. Gockel sei auf Einladung der Ratsmitglieder einmal im besetzen Haus gewesen, außerdem habe er sich auf einen Nachbargrundstück aufgehalten. Letztendlich ging es aber nicht um die Tat, sondern um das Verhalten von Gockel im Gerichtssaal. Da Gockel mit 90 Tagessätzen nicht vorbestraft gewesen wäre, hat das Gericht bewusst eine Strafe gewählt, die zu einer Eintragung in das Führungszeugnis führt.
„Mir war klar, dass es dem Gericht nicht um die Hausbesetzung gehen würde“, so Gockel. „Dem Gericht geht es letztendlich nur um eines, einen engagierten Bürger, der bereits mehrfach auf die katastrophalen Verhältnisse im Bereich der Rechtsprechung des Amts- und Landgericht Paderborn zum Thema Abschiebehaft aufmerksam gemacht hat, endlich Mundtot zu machen.“ Doch damit hätte das Gericht keine Chance, im Gegenteil, Gockel will weiter seinen Weg gehen. Er kündigte an, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Er sieht in dem OLG Hamm die erste Instanz, die nicht befangen urteilen wird und hofft daher, dass das OLG die Paderborner Richter in ihre Schranken weisen wird.
Artikel in der Neuen Westfälischen
Kommentar in der Neuen Westfälischen
Artikel im Westfälischen Volksblatt