Derzeit ist unklar, wie es mit Abschiebehaft in Deutschland weiter gehen wird. Nach zwei wegweisenden höchstrichterlichen Urteilen dazu wird hinter den Kulissen eifrig diskutiert. Die Bundesregierung und einige Landesregierungen wollen sich das Instrument nicht aus der Hand nehmen lassen, mit dem Flüchtlinge und Migrant*innen mehr oder weniger willkürlich inhaftiert werden konnten. Noch im Frühjahr sah es so aus, also ob zukünftig alle ankommenden Asylbewerber*innen präventiv eingesperrt werden. Der Bundesinnenminister hatte sich auf europäischer Ebene für eine entsprechende Regelung eingesetzt.
Nun hat in der letzten Woche der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die BRD das im Rückführungsabkommen festgelegte Trennungsgebot einhalten muss. Demnach sind Abschiebehäftlinge in separaten, von normalen Strafanstalten unterschiedenen Einrichtungen unterzubringen. Als Folge dieses Urteils wurden in Sachsen-Anhalt und Hessen alle Abschiebehäftlinge auf freien Fuß gesetzt. Am Samstag hat NRW alle verbliebenen Häftlinge nach Berlin verlegt, Hamburg arbeitet an einer entsprechenden Kooperation mit Schleswig-Holstein (JVA Rendsburg).
In Niedersachsen hat man in Langenhagen vor kurzem die Strafhäftlinge rausgeholt – jetzt ist Langenhagen wieder reine Abschiebungshaftanstalt. Bayern stellte Ende 2013 seine Praxis auf spezielle Haftanstalten um, nachdem es dazu von der Rechtsprechung gezwungen worden war. Sechs Bundesländer beachten das Trennungsgebot schon länger: In Rheinland-Pfalz (da vollzieht auch Saarland), Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Bremen (ist aber Polizeigewahrsam) bestehen spezielle Hafteinrichtungen.
In Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Sachsen (aktuell nicht besetzt, schicken nach Berlin), Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern (aktuell nicht besetzt, schicken nach Berlin) und Thüringen wurde bislang die Abschiebungshaft in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen. Diese Länder müssen nun Lösungen entwickeln, es wird sich zeigen, ob die länderübergreifenden Kooperationen von Dauer sind.
Dann folgte Ende letzter Woche das zweite Urteil: Mit einem fulminanten Beschluss vom 26.6.2014 (Az.: V ZB 31/14) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Inhaftierung von Asylsuchenden unmittelbar nach ihrer Einreise zwecks Sicherstellung von Überstellungen in den sog. Dublin-Verfahren nicht mehr zulässig ist, wenn die Haft auf Fluchtgefahr bzw. Entziehungsabsicht gestützt wird, da es hierfür an einer gesetzlichen Regelung fehlt. Nach Auffassung des BGH soll Haft allenfalls dann noch möglich sein, wenn der Betroffene seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne dies der Ausländerbehörde anzuzeigen oder aber nicht am Tag der Überstellung angetroffen wurde (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG). Diese Fallkonstellationen kommen indes in der Praxis so gut wie nie vor. Alle Dublin-Haft-Gefangenen sind daher sofort zu entlassen!
Derweil wird mit Hochdruck an neuen gesetzlichen Grundlagen gefeilt, die Abschiebehaft festigen bzw. ausweiten werden. Das Bundesinnenministerium (BMI) erklärt in einer Pressemitteilung: „Das Bundesministerium des Innern hat bereits in seinem Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung eine Definition der Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III-Verordnung vorgesehen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestärkt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung“.
Im Klartext heißt dies: Möglichst schnell sollen neue Haftgründe geschaffen werden, um wieder Inhaftieren zu können. Ein Referentenentwurf aus dem BMI liegt bereits vor. Wird der Entwurf Gesetz, würde die gerade vom Bundesgerichtshof abgeschaffte Dublin-Haft zur Regel werden.
Allein die Bestimmung, dass in Haft genommen werden kann, wer ein anderes EU-Land während eines laufenden Asylverfahrens verlassen hat, würde die Gefängnisse füllen. Sechs weitere neue Haftgründe würden dazu führen, dass sich bei nahezu jeder Fallkonstellation ein Haftgrund finden lassen würde. Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils darf allerdings bezweifelt werden, dass die geplanten Generalklauseln einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden.
In welchen Knästen?
Denkbar wäre, dass die Bundesländer nun große gemeinsame Haftzentren betreiben. Das Abschiebegefängnis in Ingelheim könnte laut Medienberichten zu einer Art Flüchtlingshaftanstalt für ganz Südwestdeutschland werden. Aus Bayern kommt demgegenüber die Nachricht, dass Ersatzabschiebehaft durch eine Art Hausarrest in Pensionen Hochkonjunktur hat. In Nordrhein-Westfalen ist die Lage ambivalent: Vorerst hat der BGH die Inhaftierung in der JVA Büren vorläufig beendet. Der Tenor: Auch wenn die Abschiebungshaft in einer Einrichtung baulich von der Strafhaft getrennt ist, verstößt dies gegen das Trennungsverbot. Nun wird über einen Ausbau der JVA Büren zu einer reinen Abschiebehaft nachgedacht, auf der anderen Seite sollen alternative Unterbringungskonzepte geprüft werden.
Nun wird sich zeigen, ob die Abschiebehaft-skeptischen Länder stark genug sind, endlich mit ihrer Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Abschiebehaft erfolgreich zu sein. Zu befürchten ist aber, dass neue gesetzliche Regleungen geschaffen werden, um weiterhin Menschen willkürlich und präventiv einzusperren. Abschiebehaft ist Unrecht! Lasst uns jetzt Druck aufbauen, um der Abschiebehaft endgültig den Todesstoß zu versetzen!
Am 30. August findet eine Demonstration gegen Abschiebehaft in Büren statt. Alle Infos dazu gibts in den nächsten Tagen unter http://buerendemo.blogsport.de