Zwiespältige Signale

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Über die Zukunft der Abschiebehaft in Deutschland wird derzeit an vielen Orten diskutiert. Da die Zahl der Abschiebehäftlinge weiter gesunken ist, lohnt sich der Unterhalt teurer Anstalten für die Länder finanziell nicht mehr. Darum mehren sich die Stimmen, Abschiebehaft ganz abzuschaffen. Auf EU-Ebene wird derzeit entgegen diesem Trend an einer Ausweitung der Haftgründe gearbeitet.

In Ingelheim hat sich schon vor längerer Zeit ein Runder Tisch gebildet, der über die Zukunft der dortigen Haftanstalt und der Abschiebehaft diskutiert. Geplant ist von Seiten der Landesregierung eine Bundesrats-Initiative zur Abschaffung von Abschiebehaft. Allerdings muss auch der Bundestag zustimmen. Parallel dazu wird über Alternativen zu Abschiebehaft nachgedacht, etwa „Kautionszahlungen, Meldeauflagen und örtliche Beschränkungen des Aufenthalts“ (Quelle: http://www.allgemeine-zeitung.de/region/ingelheim/ingelheim/12421478.htm). Allerdings stehen dieser Runde Tisch und dessen bisherige Ergebnisse unter starkem Beschuss. In einem Diskussionpapier mit dem Titel: „Das System Abschiebehaft ist das Problem“ kritisieren der Saarländische Flüchtlingsrat, die Aktion 3.Welt Saar und die Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V., dass lediglich Etikettenschwindel betrieben werde. Paradigmenwechsel stehe zwar auf der Verpackung, aber drin wäre immer noch Abschiebehaft. „Unsere Organisationen haben eine andere Vision: Wer hier ist, kann hier bleiben. Wir lehnen es ab Flüchtlinge als ‚Sicherheitsrisiko‘, ‚illegale Einwanderer‘ oder ‚Kriminelle‘ zu denunzieren und entsprechend zu behandeln.“, erklärte Roland Röder vom Saarländischen Flüchtlingsrat.
Auch das Land Berlin gerät unter Rechtfertigungsdruck. Im dortigen Abschiebegfängnis in Köpenick ist nach Angaben der „Initiative gegen Abschiebehaft“ derzeit nur ein einiger Häftling untergebracht (Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/berlin/abschiebegewahrsam-gruenau-169-bewacher-fuer-einen-haeftling,10809148,20566054.html). Die Ankündigung von Innensenator Frank Henkel, Abschiebehaft in Zukunft mit dem Land Brandenburg gemeinsam zu vollziehen, stößt indes auf Ablehnung bei Flüchtlingsräten und Initiative. In einer gemeinsamen Presseerklärung fordern diese, sich endlich von der Abschiebehaft zu verabschieden: „Es wird Zeit, dass auch Berlin und Brandenburg Abstand davon nehmen, Menschen, die niemandem geschadet haben, ins Gefängnis zu stecken.“ (Quelle: http://initiative-gegen-abschiebehaft.de/download/PM%20Abschiebehaft.pdf
Ebendies forderten rund 70 Menschen bei einer Demonstration gegen den Abschiebeknast Hannover-Langenhagen auch von der Landesregierung Niedersachsens. Der Protest dort richtete sich auch gegen eine verschärfte Aufnahmerichtlinie der EU für Flüchtlinge.

Und diese Aufnahmerichtlinie steht dem Trend, Abschiebehaft abzuschaffen, entgegen. In einem Richtlinienentwurf der EU-Innenminister werden sechs Inhaftierungsgründe genannt, die es erlauben, jeden asylsuchenden Menschen in der EU jederzeit und an jedem Ort zu inhaftieren (siehe dazu ausführlich: http://www.flucht-ist-kein-verbrechen.de/de/hintergrund/ und http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Archiv/Stellungnahmen/PRO_ASYL_Stellungnahme_zur_EU_Aufnahmerichtlinie_Haft_15__5_2012_endgueltig.pdf). Somit würde Abschiebehaft von der Ausnahme zur Regel, was eine massive Ausweitung bedeuten würde. PRO ASYL kritisiert in einer Stellungnahme zum Weltkindertag außerdem, dass „nach der neuen Aufnahme-Richtlinie erstmals auf EU-Ebene die Inhaftierung von minderjährigen Flüchtlingen erlaubt werden [soll]. Die Kommission hatte sich für ein Verbot der Inhaftierung von Flüchtlingskindern eingesetzt. Allerdings ist dies an der Blockade unter anderem der Bundesregierung gescheitert, die letztlich auch das Europaparlament zum Einknicken gebracht hat.“ (Quelle: http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/weltkindertag_2012_eu_will_abschiebungshaft_fuer_fluechtlingskinder/).

Diese Entwicklung auf europäischer Ebene ist bislang kaum thematisiert worden. Umso wichtiger ist ein massiver Protest gegen diese Pläne. Abschiebehaft muss weg – sofort!