Krisen. Kämpfe. Transformation.
Der Druck steigt: Krisen
Eine Krise jagt die nächste: Immobilienblasen platzen. Großbanken gehen pleite. Schulden explodieren. Der Euro taumelt. Ganzen Staaten droht die Zahlungsunfähigkeit. Milliarden fließen in Rettungsschirme. Weitere Milliarden in die Rettung der Rettungsschirme. Rette sich, wer kann, heißt die Devise, und wer nicht kann, bleibt im Regen stehen.
Die Krise hat viele Gesichter und lässt sich nicht allein auf eine Finanz- oder Wirtschaftskrise reduzieren. Es ist auch eine Klima- und Ressourcenkrise. Die kapitalistische Wirtschaftsweise basiert auf der konsequenten Ausbeutung von Mensch und Natur. Das ist nicht neu. Neu ist allerdings die Brutalität, mit der nun der letzte Saft aus der Zitrone gepresst wird. Die imperiale Lebensweise in den Ländern des globalen Nordens fußt auf dem inflationären Konsum von Waren sowie auf dem massiven Verbrauch fossiler Energieträger wie Kohle und Öl. Weil Rohstoffe zu Neige gehen und die Nachfrage gleich bleibt bzw. weiter ansteigt, steigen auch die Preise. Deshalb lohnt sich der immer aufwändigere Abbau an immer entfernteren Orten. Die damit verbundene Zerstörung ganzer Landschaften und Regionen, vor allem in den Ländern des globalen Südens, wird dabei billigend in Kauf genommen.
Die aktuelle Krise ist auch eine Verteilungskrise. Vor allem am Horn von Afrika leiden immer mehr Menschen an Hunger. Klimaveränderungen haben zu Wasserknappheit, Dürren und Missernten geführt. Nahrungsmittelspekulation lässt die Getreidepreise so exorbitant in die Höhe schnellen, dass Importe unbezahlbar werden und die Menschen massenhaft an Hunger sterben – mehr als 13 Millionen Menschen in Ostafrika sind vom Hungertod bedroht. Landgrabbing und Ausbeutung riesiger Ackerbauflächen für das Agrosprit-Business rauben massiv die Grundlagen zur Herstellung von Nahrungsmittelsicherheit: Mais wird zur Gewinnung von Bio-Kraftstoff im globalen Norden statt zur Ernährung der hungernden lokalen Bevölkerung angebaut. Wo Güter und der Zugang zu Ressourcen knapp werden, nehmen auch Verteilungskriege zu. So dominieren Exportinteressen und der freie Zugang zu Rohstoffen über humanitären Interessen.
Die gebetsmühlenartig herunter geleierte Antwort auf die multiplen Krisen lautet Wachstum – und das um jeden Preis! Wenn der eine Markt schrumpft, muss ein anderer wachsen: Mal wird auf Nahrungsmittelpreise spekuliert, auf Schnäppchenverkäufe aus dem Reservoir staatlicher Güter gesetzt oder das Geld wird von einer Blase in die nächste transferiert. Das Rezept zur Lösung der Klimakrise heißt „Green Economy“ – die Investition in neue Wachstumsbranchen, die Eröffnung neuer Märkte ganz im Zeichen der ,Nachhaltigkeit‘. Während die Krisenverursacher aus Politik und Wirtschaft weiter von einem Gipfel zum nächsten hetzen, zeichnet sich bereits jetzt eine grundlegende Krise ab: die Krise der Legitimation. Warum an einem System festhalten, das weltweit nur wenigen nutzt, aber unendlich vielen schadet? Wie kann eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen für alle aussehen? Wie können wir zu einem Lebensstil kommen, der weniger bzw. gar keine systembedingten Krisen verursacht. Kurz: Was kommt nach dem Kapitalismus?
Druck von unten: Kämpfe
Nicht nur die Krisen vervielfältigen sich, sondern auch die Proteste und Aufstände nehmen zu: Im Dezember 2010 beginnen die Massenunruhen in Tunesien, die im Januar 2011 das Staatsoberhaupt in die Flucht treiben. Es folgen Unruhen in Algerien, eine Revolution in Ägypten führt zum Sturz Mubaraks. Ebenso in Libyen, Bahrain und Syrien wehrt sich die Bevölkerung gegen autoritäre Regime und fordert grundlegende demokratische Reformen.
Griechenland, Portugal, Spanien – auch hier wird seit Frühjahr 2011 massenhaft protestiert. Vor allem die Jungen und Gebildeten wehren sich gegen die Zumutungen neoliberaler Sparhaushalte. Zugleich regen sich in Israel Sozialproteste aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Hier sind steigende Mieten und Lebenshaltungskosten zentrales Thema. Auch in Rumänien, Ungarn und Russland nehmen die Proteste gegen Rassismus und staatliche Repressionen zu. Nicht zu vergessen: die seit Spätsommer in den USA protestierende Occupy-Bewegung, die nicht nur die Brooklyn Bridge besetzt, sondern gleich ganze Häfen blockiert und lahm legt. Was sind die Gemeinsamkeiten in den diversen Revolten und Protesten und wo liegen Unterschiede? Wie sind die Umbrüche, z.B. in den arabischen Ländern einzuordnen? Wie stehen die Chancen für einen dauerhaften emanzipativen Wandel? Dies sind nur einige der Fragen & Kämpfe, die uns auf dem Kongress beschäftigen.
Klar ist: Soziale Bewegungen lassen sich selten vorher sehen und leider auch nicht herbei sehnen. Warum nehmen vereinzelte Proteste an Fahrt auf und gewinnen über das Lokale hinaus an Strahlkraft, während andere nach kurzer Bewegungskonjunktur in der Versenkung verschwinden und das zerstörerische Business as usual weiter geht? Wie können sich die verschiedenen Akteur_innen lokaler Kämpfe aufeinander beziehen? Wie könnte eine inter- bzw. transnationale Zusammenarbeit aussehen? Wie können soziale Bewegungen intensiviert und verstetigt werden? Wie können Solidarität und gemeinsamer Widerstand organisiert werden?
Druck machen: Transformationen
„Under Pressure – pushing down on me, pushing down on you“, heißt es in dem gleichnamigen Klassiker von Queen & David Bowie. Auch die Subjekte stehen unter enormen Druck. Für viele Menschen nehmen die Zumutungen des Systems Ausmaße an, die lebensbedrohend sind. Es geht um die Näher_innen, die gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken rebellieren, um das Aufbegehren indischer Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, deren Lebensgrundlage durch multinationale Saatgutkonzerne zerstört wurde, um die Wanderarbeiter_innen in China, die sich kollektiv organisieren, um die Menschen, die unter Lebensgefahr über das Mittelmeer nach Europa kommen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Es sind überwältigend viele Menschen, die sich durch die hegemoniale Politik nicht repräsentiert fühlen und die sich zunehmend Gehör verschaffen. Deswegen setzen Veränderungen und die Suche nach Alternativen (nicht nur, aber auch) bei den Subjekten an. Jeder Mensch ist die Krise des Kapitalismus, genau dann, wenn er migriert, blockiert, rebelliert, streikt, sich vernetzt? Die Formen und Strategien des Widerstands sind vielfältig. Die Veränderungsprozesse beginnen im vermeintlich Kleinen: der Verweigerung des/der Einzelnen „einverstanden zu sein“ und „mitzumachen“. Wie können wir den Druck, der auf uns allen als Individuen lastet, gegen das richten, was uns kaputt macht?
Unter dem Stichwort „Transformationen“ widmen wir uns dem konkret Machbaren: Wie können emanzipatorische Veränderungen in den Alltag implementiert werden? Welche positiven Beispiele für Selbstorganisation, für andere Formen des Lebens und Wirtschaftens gibt es? Zum anderen wagen wir einen Blick über den realpolitischen Tellerrand: Wie könnte das Unmöglich-Mögliche aussehen? Hier kommt das Utopische ins Spiel: Was wäre, wenn…? Wie wären wir, wen…? Denn nur, wenn wir eine Vorstellung darüber gewinnen, wie das ganz Andere jenseits einer kapitalistischen Inwertsetzung aussehen könnte, können wir über das Bestehende hinaus denken und hinaus agieren. Und wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass die seit Jahrzehnten installierten autoritären Regime in Nordafrika und im arabischen Raum ins Wanken geraten und dass in den USA eine große Protestbewegung gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik Druck macht?
Um diese und viele weitere Fragen zu diskutieren, laden wir euch zum 34. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus ein. Kommt vom 17.-20.5. zum BUKO nach Erfurt. Auf eine vielfältige Entladung und Aufladung freut sich…
die Erfurter Vorbereitungsgruppe
Der BUKO-Kongress findet vom 17.-20.5.2012 in Erfurt statt. Dieses Jahr wird er vor Ort organisiert von einem lokalen Netzwerk bestehend aus Studierendenrat (StuRa) FH, Bildungskollektiv (BiKo) e.V., revolta – antikapitalistische linke, Hochschulgruppe LiSE, Plan B und Einzelpersonen.
Mehr Infos: http://www.buko.info/de/buko-kongresse/buko-34/aufruf/