Quelle: http://www.epd.de/hessen/hessen_index_84839.html
Mainz/Frankfurt a.M. (epd). Diakonie, Caritas und Flüchtlingshilfsorganisationen haben die Zustände in der rheinland-pfälzischen Abschiebehaftanstalt in Ingelheim kritisiert. Ein Gefängnis sei der falsche Ort für Menschen, die durch Flucht oder Erlebnisse im Herkunftsland traumatisiert seien, sagte der hessen-nassauische Diakoniechef Wolfgang Gern am 14. Februar in Mainz vor Journalisten: „Das ist inhuman, überzogen und es macht krank.“ Diakonie und Caritas engagieren sich seit zehn Jahren mit einem ökumenischen Flüchtlingshilfsprojekt in dem Abschiebegefängnis.
Bis zu 40 Prozent der Flüchtlinge, deren Fall an einen Fachanwalt weitervermittelt wurde, müssen nach Angaben der Wohlfahrtsverbände wieder aus der Haft entlassen werden, weil Haftbeschlüsse fehlerhaft waren oder die Inhaftierten noch im Abschiebegefängnis einen Asylantrag stellen. Ein solcher Anteil sei nicht akzeptabel für einen Rechtsstaat, sagte Diözesancaritasdirektor Hans-Jürgen Eberhardt.
Scharfe Kritik äußerten die Verbände auch an der Praxis, Flüchtlinge im Rahmen der sogenannten Dublin-II-Verordnung in das EU-Land zurückzuweisen, das sie auf ihrer Flucht als erstes erreicht hatten. Angesichts der katastrophalen Zustände in Griechenland oder Ländern wie Italien und Ungarn müssten diese Abschiebungen ausgesetzt werden. Diejenigen EU-Staaten, die wie Deutschland weiter von den Außengrenzen der Gemeinschaft entfernt liegen, müssten mehr Flüchtlinge von den überforderten Partnerstaaten aufnehmen, forderte Gern.
Das ökumenische Hilfsprojekt in der Abschiebehaft Ingelheim umfasst einen hauptamtlichen Mitarbeiter, der die Inhaftierten berät, und eine für die Betroffenen kostenlose Rechtsberatung durch erfahrene Anwälte. Auch gibt es einen Rechtshilfefonds und einen sogenannten Sprachmittlerpool mit 50 ehrenamtlich aktiven Übersetzern und Dolmetschern.
Die „Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige“ in Ingelheim ist das zentrale Abschiebegefängnis für Rheinland-Pfalz und das Saarland mit 150 Plätzen. In den vergangenen Jahren ist nach Angaben der Verbände durchschnittlich nur ein Drittel der Plätze belegt gewesen. Zudem müssten die Flüchtlinge oft monatelang auf ihre Abschiebung warten.
Innenansichten aus der Abschiebungshaft in Ingelheim gewährt auch das Buch „Zwischen Traum und Trauma“ von Alena Thiem, das ebenfalls am Montag vorgestellt wurde. Die Politikwissenschaftlerin hatte während ihres Studiums 2009 ein Praktikum bei der Flüchtlingsberatung absolviert. Anhand von ausgewählten Gesprächen erzählt sie die Geschichten von fünf Häftlingen nach, die sich damals in Ingelheim befanden.
Hinweis: „Zwischen Traum und Trauma. Innen-Ansichten aus der Abschiebungshaft in Ingelheim“. Herausgegeben vom Diakonischen Werk in Hessen und Nassau und dem Caritasverband für die Diözese Mainz, Loeper Literaturverlag, Karlsruhe, 2010, ISBN: 978-3-86059-436-0