Kriminalisierung des Kirchenasyls
Äbtissin Mutter Mechthild Thürmer braucht dringend kirchliche
Rückendeckung für ihre Menschenrechtspraxis
Münster. Äbtissin Mutter Mechthild Thürmer aus der bayerischen
Benediktinerinnenabtei Maria Frieden wird wegen der Gewährung von
Kirchenasyl derzeit massiv unter Druck gesetzt und das Amtsgericht Bamberg
droht ihr mit einer Gefängnisstrafe (Domradio [1] berichtet). Von
kirchlicher Seite gibt es bisher leider nur wenig Stimmen, die sich hinter
Mutter Mechthild stellen und das Instrument des Kirchenasyls öffentlich
verteidigen. So äußerte sich bereits Kurienkardinal Michael Czerny lobend
über das Verhalten von Mutter Mechthild (katholisch.de vom 31.7.20 [2]).
Auch der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Pater Claus Pfuff [3],
stellte sich hinter Mutter Mechthild und hat gewünscht, dass auch von
offizieller Seite in den Kirchen deutliche Worte zu diesem Fall kommen
müssten, da es sich hier um eine neue Eskalationsstufe staatlicherseits
handle.
„Die Kriminalisierung, die ein weiterer Angriff der staatlichen Stellen
auf das Kirchenasyl ist, zeigt: Diese humanitäre Menschenrechtspraxis soll
verunmöglicht werden. Leider ist von den Kirchen jedoch immer noch viel zu
wenig Empörung zu vernehmen – was fatale Folgen haben könnte. Das Asyl in
der Kirche kann nur durch eine eindeutige und öffentlich sichtbare
Rückendeckung für die, die Kirchenasyl gewähren, vor einer nachhaltigen
Gefährdung und vor staatlichen Übergriffen geschützt werden. Gerade
zeigt sich, wie der Staat mit allen Mitteln humanitäre Anliegen zu
kriminalisieren versucht“, so Benedikt Kern, Theologe am Institut für
Theologie und Politik Münster, der im Rahmen seiner Tätigkeit für das
Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW Kirchenasyle in ganz
Nordrhein-Westfalen berät und begleitet.
„In der gegenwärtigen Situation, in der Mutter Mechthild Thürmer vor
ein Gericht gestellt werden soll, ist es wichtig, gerade aufgrund hoher
Abschiebezahlen die staatliche Delegitimierungsstrategie gegen das
Kirchenasyl zu skandalisieren und auch innerhalb der Kirchen einzufordern,
sich offensiv für das leider so notwendige Instrument des Kirchenasyls zu
positionieren. Dies zu tun ist auch eine Frage der Solidarität mit Mutter
Mechthild und vielen andren mutigen Menschen, die aus christlicher und
humanitärer Überzeugung Kirchenasyle gewähren. Auch weil es hier um das
ureigene Selbstverständnis der Kirchen als Nachfolgegemeinschaft Jesu
geht, erwarten wir, dass sich kirchliche Vertreter in aller Klarheit
öffentlich auf die Seite von Mutter Mechthild stellen und die
Kriminalisierungsversuche scharf zurückweisen“, betont Dr. Julia Lis,
Geschäftsführerin des Instituts für Theologie und Politik und Mitglied
im Netzwerk Kirchenasyl Münster.
Zu den Hintergründen empfehlen wir das Interview mit Stephan T. Reichel
[3], mit dem wir am ITP in den letzten Jahren immer wieder zum Thema
Kirchenasyl zusammengearbeitet haben.
Links:
——
[1] https://www.domradio.de/themen/ethik-und-moral/2020-07-29/empfindliche-freiheitsstrafe-fuer-aebtissin-gericht-droht-mutter-mechthild-wegen-wiederholten
[2] https://www.katholisch.de/artikel/26376-kirchenasyl-kurienkardinal-lobt-verhalten-von-deutscher-aebtissin
[3] https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2020-08-04/mutter-mechthild-prozess-jesuiten-fluechtlingsdienst-fordert-klarheit-zum-kirchenasyl