Bedenkliches Urteil gegen einen Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe Lippe e.V.

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Pressemitteilung der Flüchtlingshilfe Lippe e.V: (Link zur PM | Facebook)

28.05.2020 – Detmold – Heute entschied das Landgericht Detmold in vierter Instanz im Prozess gegen einen Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe Lippe e.V. mit
einer Verurteilung zu 120 Tagessätzen à 25 Euro. Die Flüchtlingshilfe
Lippe e.V. wertet das Urteil als sehr bedenklich und unverhältnismäßig
hart. 

Im Frühjahr 2018 soll der Mitarbeiter die Abschiebung eines Geflüchteten
verhindert haben, indem er sich einem Polizeibeamten in den Weg gestellt
habe.

Zuletzt hatte das OLG Hamm am 10. Dezember 2019 entschieden, dass die
Handlung des In-den-Weg-Stellens-mit-ausgebreiteten-Armen als tätlicher
Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) zu werten sei. Der
Tatbestand setze nach Auffassung des OLG weder einen Verletzungswillen,
noch eine tatsächliche Körperverletzung voraus. „Diese Rechtsprechung
erscheint im Hinblick auf die bürgerlichen Freiheitsrechte äußerst
bedenklich“, kritisierte Sebastian Nickel, Verteidiger der Verhandlung.
„Es steht zu befürchten, dass sich hierdurch Menschen von
Protestaktionen und öffentlich geäußerter Kritik abschrecken lassen“, so
Nickel weiter.

Zu dieser Einstufung durch das OLG kam es, weil die Staatsanwaltschaft
nach dem Berufungsverfahren in Revision ging. Das Landgericht Detmold
hatte den Mitarbeiter im Berufungsverfahren zu 90 Tagessätzen wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Schon damals ordnete
die Flüchtlingshilfe Lippe e.V. dieses Strafmaß für die vorgeworfene
Handlung als unverhältnismäßig hart ein. Der Staatsanwaltschaft hingegen
reichte dieses Urteil nicht aus: Sie forderte eine Freiheitsstrafe von 6
Monaten, auf Bewährung. In dem Handeln sah sie den Tatbestand des
tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) erfüllt und
ging in Revision.

In der heutigen Verhandlung am Landgericht Detmold erhöhte Frau
Schikowski, vorsitzende Richterin, das bisherige Strafmaß auf 120
Tagessätze à 25 Euro. Den Antrag des Verteidigers Nickel, die Prüfung
des Sachverhalts wegen Verfassungswidrigkeit des §114 StGB an das
Bundesverfassungsgericht zu verweisen, lehnte sie ab.

„Das Urteil hat mit der eigentlichen Handlung unseres Mitarbeiters
nichts mehr zu tun“, so Andreas Zuckmayer, Vorstand der Flüchtlingshilfe
Lippe e.V. So ginge es vielmehr um die juristische Auslegung des
Begriffs ‚tätlicher Angriff‘. „Durch die sehr weite Auslegung des
Begriffs durch das OLG erscheint der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
insgesamt nicht mehr gewahrt“, ergänzt Nickel.

„Wir erleben seit einigen Jahren eine immer härtere Abschiebepraxis, die
humanitäre und rechtsstaatliche Grenzen vermehrt missachtet. Wir
begrüßen es, wenn couragierte Menschen sich hiergegen einsetzen.“,
erklärt Andreas Zuckmayer. Diese Solidarität war heute auch durch die
Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude zu sehen, welche durch
antirassistische Gruppen angemeldet war.

Die Flüchtlingshilfe Lippe e.V. wurde 2005 gegründet und berät seitdem
geflüchtete Menschen bei aufenthalts- und sozialrechtlichen Belangen in
Lippe. „Dies werden wir weiterhin engagiert tun und stehen zu unseren
Mitarbeiter_innen“, so Zuckmayer.