- Pressemitteilung des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte „Wir fordern sofortige und unvoreingenommene Aufklärung“ (Link)
- Demonstrationsaufruf Black Community Hamburg (Link)
- PM im Hamburger Abendblatt (Link)
Demonstration:
Samstag, den 25.05.2019 | 12.00 Uhr
Ort: UKE – Gebäude W37 / Haupteingang
Martinistraße 52, 20251 Hamburg
#JusticeforMbobda
Am 21. April 2019 wurde der Afrikanische Student Tonou Mbobda durch einen rassistischen und brutalen Übergriff von “Sicherheits-“Kräften des Universitätsklinikums Hamburg (UKE) getötet.
Die Gewalttat trug sich an jenem Sonntag früh in der Klinik für Psychiatrie, dem Gebäude W37 des UKE zu. Tonou Mbobda wollte die ihm verschriebenen Medikamente nicht einnehmen und begab sich an diesem morgen aus dem Gebäude heraus. Er hatte sich vor Kurzem freiwillig in das Krankenhaus begeben und es stand ihm eigentlich frei, das Gebäude zu verlassen, wann er will.
Laut Augenzeug_innen saß Tonou Mbobda draußen auf einer Bank und entspannte sich. Er hatte kein aggressives Verhalten gezeigt, als die Mitarbeiter des UKE- “Sicherheitsdienstes“ ihn anpackten und zu Boden warfen. Weiter berichten die Zeug_innen, dass er mit Knien traktiert und getreten wurde, bis er das Bewusstsein verlor und dass er dann eine Spritze verabreicht bekam. Außerdem wurde er am Boden fixiert und gewürgt. Er beklagte sich, keine Luft zu bekommen. Nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen vor Ort wurde Tonou Mbobda mit einem Krankenwagen, in dem die Reanimation fortgesetzt wurde, in die Notfall-Intensivstation des UKE gebracht.
Die Geräte dort, die sein Herz zwischenzeitlich wieder schlagen ließen, wurden am Freitag, den 26. April abgestellt und sein Tod offiziell festgestellt.
Das UKE unternahm nach der Tat keine Anstrengungen, die Familie des Betroffenen ausfindig machen, sie zu informieren und für Aufklärung zu sorgen. Im Gegenteil: Das UKE sprach zunächst öffentlich von einem „medizinischen Zwischenfall“ und verweigerte die weitere Kommunikation zum Geschehen. Und sie begannen schnell mit der Rechtfertigung der Tat: Sie entwürdigten und kriminalisierten den Getöteten, indem sie das Bild von einem „gefährlichen“ und psychisch kranken Schwarzen Mann zeichnen,
der selbst die Schuld für seine Ermordung trägt. Sie entmündigten und stigmatisierten von Anfang an die Mitpatient_innen des Getöteten und stellten die Wahrnehmungsfähigkeit der verschiedenen Zeug_innen in Abrede. Sie relativieren die Gewalt und stellen sich bis heute schützend vor die Täter.
Anstatt die Gewalttat aufzuklären, tut die Krankenhausleitung sie so, als ob Tonou Mbobda, der sich ohne innere Vorerkrankungen ins UKE begab, auch ohne die Gewalteinwirkung einfach so hätte versterben können. Die medizinischen und politischen Verantwortlichen zeigen sich weiterhin gleichgültig, gehen in Abwehrhaltung und haben es immer noch nicht geschafft, Konsequenzen zu ziehen.
Struktureller, Anti-Schwarzer Rassismus ist eine zentrale Ursache für die Ermordung von Tonou Mbobda und für den Umgang mit der Tat. Das Hamburger Universitätsklinikum ist eine weiße Institution, rassistische Praktiken und die entsprechende Straflosigkeit der Täter*innen haben bereits eine längere Vorgeschichte. Dort wurden schon im 20. Jahrhundert die Schädel von ermordeten
Afrikaner*innen und von weiteren unterdrückten Völkern gesammelt.
Wir erinnern aus jüngerer Zeit auch und insbesondere an Achidi John, der im Dezember 2001 durch eine Ärztin des UKE zu Tode gefoltert wurde. Hierbei wurde ihm gewaltsam ein Brechmittel durch eine Sonde eingeflößt. Bis heute wurde keine verantwortliche
Person dafür zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen sind sie aufgestiegen: Politisch Verantwortliche, z.B. der damalige Innensenator Olaf Scholz ist heute deutscher Vizekanzler, die Beteiligten am UKE sind Institutsleiter (Klaus Püschel) und Oberärztin (Ute Lockemann) in der Rechtsmedizin. Ausgerechnet in dieser UKE-Rechtsmedizin wird nun auch die Leiche von Tonou Mbobda untersucht.
Diese Tat hätte jede_n von uns als Schwarze Menschen treffen können, solche Situationen spiegeln die rassistische und menschenverachtende Wahrnehmung gegenüber Schwarzen Menschen als „aggressiv“, „gewalttätig“ und somit grundsätzlich
verdächtig wieder. Unabhängig von äußeren Umständen oder persönlichen Situationen werden wir dann eher mit brutaler bis tödlicher Gewalt, als mit Mitgefühl konfrontiert. Rassismus ist ein System der Entmenschlichung und Hierarchisierung. Es ist die Ideologie
der weißen Vorherrschaft, ein ausgedachte Rechtfertigung für Gewalt durch Ausbeutung und Unterdrückung, Gewalt durch Versklavung, Kolonialismus und Imperialismus.
Der Kampf um Gerechtigkeit für Mbobda ist untrennbar verbunden mit den alltäglichen und weltweiten Kämpfen gegen ein ganzes System der rassistischen Unterdrückung. Dieses System hat nun ein weiteres Opfer gefordert und wir trauern mit der gesamten Familie und mit Freund_innen aus allen Teilen dieser Welt. Wir werden das Andenken des Getöteten in Ehren halten. Es ist unsere Aufgabe für Aufklärung, Gerechtigkeit und Verantwortung zu sorgen, uns gegen die systematische, rassistische Unterdrückung auf allen Ebenen in dieser Gesellschaft zu wehren, sowie jede Stigmatisierung und Zwangsbehandlung von
psychisch belasteten Menschen zu beenden und für die Aufklärung von rassistischen und menschenverachtenden Verbrechen einzutreten.
Deshalb ruft die Black Community Hamburg zu einer bundesweiten Demonstration in Gedenken an Tonou Mbobda zum Tag der Befreiung Afrikas am 25. Mai 2019 auf!
Der Tag der Befreiung Afrikas wird jährlich in großen Teilen Afrikas und der Afrikanischen Diaspora gefeiert und ist Ausdruck unseres ungebrochenen Strebens nach Befreiung, Einheit und Selbstbestimmung.
Am 25. Mai 1963 gründeten zahlreiche Afrikanische Staaten, die sich aus den Ketten des Kolonialismus befreit hatten in Addis Abeba (Äthiopien) die „Organisation der Afrikanischen Einheit“ und riefen damit den „Tag der Befreiung Afrikas“ aus, der später auch „Afrika-Tag“ genannt wurde. Dieser Tag ist ein Ausdruck des Afrikanischen Kampfes um Gerechtigkeit.
Die gebündelte Kraft der Einheit aller Schwarzen Menschen auf dem Kontinent und in der Diaspora steht an diesem Tag im Mittelpunkt unserer alltäglichen und vielfältigen Kämpfe. Das Werk der kompletten Befreiung und Vereinigung Afrikas ist bis heute nicht vollbracht.
Weiterhin gelten in Afrika noch Grenzen, die von den Großmächten 1884/1885 in Berlin beschlossen wurden. Im Zeitalter des Neokolonialismus werden unsere natürlichen Reichtümer und unsere Arbeitskräfte weiterhin von fremden Großmächten und den Eliten
ausgebeutet.
Bis heute werden Schwarze Menschen auf der ganzen Welt missachtet, misshandelt und getötet. Dagegen müssen wir uns zusammenschließen, für einander einstehen, unser Wissen und Können bündeln und unser Leben selbstbestimmt und solidarisch gestalten – es wird niemand für uns tun, wenn wir es nicht in unsere eigenen Händen nehmen!
Nur die Vereinigung und der kollektive Freiheitskampf gibt uns die Mittel, das System der weißen Vorherrschaft zu entlarven, ihre rassistischen Verbrechen aufzuklären, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, Reparationen einzufordern und Gerechtigkeit und Frieden für unsere ermordeten Ahn*innen zu finden.
In Zeiten weltweiter Kriegsführung, wirtschaftlicher Ausplünderung, fortgesetzter Umweltzerstörung und des Erstarkens von offen rassistischen und menschenverachtenden Positionen, rufen wir alle Schwarzen und solidarischen Menschen dazu auf, an diesem Tag ein starkes Zeichen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, Fremdbestimmung und Repression, Ausbeutung und Unterdrückung, sowie die globale Zerstörung unserer Kultur und Umwelt zu setzen.
Wir wollen ein Ende von Krieg und Vertreibung, ein Ende der mörderischen Festung Europa, ein Ende des Raubes unserer Lebenskraft und unserer Ressourcen. Wir wollen ein Ende des systematischen, institutionellen Rassismus und des Alltagsrassismus, der unseren Schwestern und Brüder in Lagern und Knästen, Polizeiwachen und Krankenhäusern, auf Straßen und Plätzen das Leben nimmt.
AUFKLÄRUNG – GERECHTIGKEIT – VERANTWORTUNG!