Aufruf zur Demonstration im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens im Bereich B – Abflug
Millionen Urlaubsreisenden gilt das „Tor zur Welt“ als Sprungbrett ins erholsame Vergnügen, Geschäftsleuten dient das Luftverkehrskreuz wie selbstverständlich beim zunehmend globalen Marketing. Für die Grenzpolizei ist der Flughafen vor allem eine EU-Außengrenze, gleichermaßen Kontrollposten und Abschiebeplattform. Dementsprechend erleben Tausende von MigrantInnen und Flüchtlinge schon bei ihrer Ankunft den Airport Rhein-Main als Nadelöhr für rassistische Kontrollen und Internierung oder später als Endstation vor der Abschiebung.
Im täglichen Unrecht der Ausgrenzungen und Abschiebungen am Flughafen spiegelt sich ein modernes Apartheidsystem wieder, das in erster Linie Menschen aus dem globalen Süden ihr Recht auf Bewegungsfreiheit verwehrt. Kapitalismus im 21.Jahrhundert ist ohne globales Lohn- und Ausbeutungsgefälle nicht denkbar. Es wird konstruiert mittels Ungleichheit, Hierarchisierung, Zonierung, sowohl entlang innerer und noch mehr entlang äußerer Grenzen. Ob im Mittelmeer mit Frontex-Schiffen gegen Boatpeople oder an Flughäfen mit Abschiebungen von Sans Papiers: das häufig tödliche und immer gewaltförmige EU-Grenzregime dient der Aufrechterhaltung einer ungerechten Weltordnung. Das zeigt sich aktuell einmal mehr in der rassistischen Hetze gegenüber tunesischen MigrantInnen, in den Kontrollen und Rückschiebungen, die in Italien und Frankreich bis hin nach Deutschland die Politik gegenüber dem Aufbruch in Nordafrika bestimmen. Durch ihre Beteiligung an der Zerstörung anderer Länder durch Krieg und Ausbeutung und ihre zynische Zusammenarbeit mit einheimischen Despoten jeglicher Couleur tragen die europäischen Staaten massgeblich dazu bei, dass Millionen von Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt und zur Flucht gezwungen werden.
Kontrolle, Internierung und Abschiebung am Flughafen
Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei und von Frontex stehen nicht selten sogar bei innereuropäischen und eigentlich grenzkontrollfreien Flügen am Gate in Frankfurt und filtern per Gesichtskontrolle Verdächtige aus. Es könnten sich im Flieger aus Griechenland oder Italien Flüchtlinge unter den Passagieren befinden, die es geschafft haben, trotz aller Kontrollen in Athen oder Rom an Bord zu kommen. Oder Grenzpolizisten überprüfen mit High-Tech-Instrumenten alle Dokumente der Passagiere einer Maschine z.B. aus einer südamerikanischen Stadt, die im Ruf steht, Ausgangsort für Einreisen mit falschen Papieren zu sein. Wer dann ohne oder mit gefälschten Papieren aufgegriffen und wessen Asylantrag im Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ eingeordnet wird, landet am Flughafen in Haft, um entweder unmittelbar zurückgeschoben oder interniert zu werden. Abseits aller Öffentlichkeit und ausgerüstet mit Hochsicherheitsstandards liegt das Internierungslager versteckt in der Mitte des Flughafengeländes. Auch die vielen anderen Lager, in die bundesweit Flüchtlinge gesperrt werden, sollen Isolation und Entrechtung fortsetzen. Dagegen regt sich seit Jahren zunehmender Protest und Widerstand von Flüchtlingen.
3098 Menschen wurden laut offizieller Statistik 2010 vom Frankfurter Flughafen abgeschoben, dazu kommen direkte Zurückweisungen und sog. Überstellungen in andere EU-Länder. Durchschnittlich 10 Flüchtlinge oder MigrantInnen werden also jeden Tag von dort außer Landes geschafft, Frankfurt bleibt damit mit deutlichem Abstand der Abschiebeflughafen Nr. 1 in Deutschland.
Gleichzeitig organisiert die Bundespolizei regelmäßig von den Flughäfen Düsseldorf und Baden-Baden aus Charterabschiebungen, seit Monaten insbesondere von Roma nach Serbien und in den Kosovo. Die „Charter der Schande“ zielen auf eine effektivere Abschiebung ganzer Gruppen oder auch potentiell widerspenstiger Personen unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit. Sie werden zunehmend von Frontex auf europäischer Ebene koordiniert und ergänzen die Einzelabschiebungen in Linienflugzeugen, wie sie von Rhein-Main aus tagtäglich stattfinden. Unter Androhung fortgesetzter monatelanger Abschiebehaft werden „freiwillige Ausreisen“ erzwungen oder wird mit unmittelbarer Gewalt durch grenzpolizeiliche Begleitung nachgeholfen.
Mehr als ein Drittel aller Abschiebungen aus Deutschland führen mittlerweile in ein EU-Land, zumeist an die östlichen oder südlichen Außengrenzen. Denn entsprechend der sog. Dublin II-Verordnung müssen Flüchtlinge in dem Staat bleiben, in den sie als erstes eingereist sind und per Fingerabdruck registriert wurden. Es waren die Schengen-Kernstaaten und insbesondere deutsche Innenminister, die diese Regelung vorangetrieben haben, um das Asylrecht auszuhebeln und Flüchtlingen den Zugang zum Land ihrer Wahl zu verwehren. Wer dennoch weiterreist, dem droht die Rück“überstellung“, und auch das läuft immer wieder über den Frankfurter Flughafen. Er ist damit ein Ort der repressiven Abschottungspolitik, die Deutschland seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 europaweit vorangetrieben hat.
Der Flughafen ist nicht der Fraport ihr Wohnzimmer!
Der Flughafen ist ein Tatort permanenter Menschenrechtsverletzungen, vor diesem Hintergrund finden hier seit vielen Jahren Proteste und Kundgebungen statt. Fraport, die Betreiberfirma, hatte seit 2003 versucht, mittels Hausverboten die Flughafenterminals zu demonstrationsfreien Zonen zu machen. Trotz mehrfacher Kriminalisierungsversuche gab es dennoch auch in den letzten Jahren immer wieder zumindest kleine Flugblattaktionen, die sich an Passagiere und Piloten wandten, um unmittelbar bevorstehende Abschiebungen zu verhindern. Dieser Widerstand hat Folgen: so gelingt es in den letzten Jahren des Öfteren, Abschiebungen zu stoppen, wenn sich die unfreiwilligen Passagiere zur Wehr setzen. Gleichzeitig wurde von einer Aktivistin des Aktionsbündnisses gegen Abschiebung ein 8-jähriger, zäher juristischer Kampf gegen die Hausverbote geführt, der im Januar diesen Jahres in einen überraschend klaren Erfolg mündete. Das Verbot, Flugblätter zu verteilen, kann nicht mehr auf den „Wunsch gestützt werden, eine Wohlfühlatmosphäre in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen, die von politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleibt. Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf.“ So steht es wörtlich in der Begründung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, das für alle Flughäfen oder auch Bahnhöfe und andere Gebäude gilt, die sich zum überwiegenden Teil in öffentlicher Hand befinden. Der Versuch der völligen Privatisierung öffentlicher Räume, wie sie beispielhaft am Flughafen gegen störende Proteste von AbschiebegegnerInnen durchgesetzt werden sollte, hat einen gewaltigen Dämpfer erfahren. Mit der Demonstration am 20.6. werden wir somit auch unser Protest-„Come Back“ ins Flughafenterminal feiern.
Bleiberecht statt Abschiebungen, Freiheit statt Frontex
Der 20. Juni ist der internationale Tag des Flüchtlings und gleichzeitig der Vorabend der Innenministerkonferenz (IMK), die am 21. und 22.6. in Frankfurt stattfindet. Seit vielen Jahren begleiten Proteste und Forderungen für ein bedingungsloses Bleiberecht von Flüchtlingen die Konferenzen der Minister, die für Ausgrenzung und tägliche Abschiebungen verantwortlich sind. Sie reden von Integration und meinen Anpassung und Unterwerfung unter eine Bürokratie und einen Arbeitsmarkt, die beide gleichermaßen rassistisch geprägt sind. Sie verbreiten und verstärken einen Sicherheitsdiskurs, in dem Tausende von MigrantInnen und Flüchtlingen als „Risikofaktoren“ dargestellt werden. Sie koordinieren die weiteren, unerträglichen Abschiebungen von Roma oder bis vor kurzem von Flüchtlingen nach Syrien. Und es waren der deutsche Bundesinnenminister sowie der bayrische Innenminister, die die sofortige Rückführung tunesischer MigrantInnen aus Italien und notfalls die Wiedereinführung von innereuropäischen Grenzkontrollen gefordert haben. Dieser Politik wollen wir am 20. Juni in einem der Tatorte eine unmissverständliche Absage erteilen.
Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht statt Abschiebungen – Freiheit statt Frontex
Mit diesen Forderungen werden wir am 20. Juni lautstark durch das Terminal 1 des Frankfurter Flughafens demonstrieren. Wir hoffen auf zahlreiche Unterstützung.
Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main
Mehr Infos: http://noborderffm.blogsport.de/