Die Zukunft der JVA Büren wird vor Gericht entschieden

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Neue Westfälische 15 – Paderborn (Kreis) , 11.01.2014:

Abschiebehaft beschäftigt Justitia / Seit 20 Jahren sitzen in Büren Häftlinge ein / Bundesgerichtshof muss entscheiden

Von Jutta Steinmetz

Kreis Paderborn. Seit genau 20 Jahren sitzen in der ehemaligen NATO-Kaserne Stöckerbusch bei Büren am Rande des Sauerlandes Abschiebhäftlinge ein. Diese Justizvollzugsanstalt (JVA) mit ihren 500 Plätzen galt lange Zeit als der größte Abschiebeknast Europas. Auch wenn die Zahl der Inhaftierten auf zur Zeit 51 Männer und zwei Frauen zurückgegangen ist, steht jetzt die JVA im Mittelpunkt einer rechtlichen Diskussion. Denn die Richter am Amtsgericht Paderborn haben ihre Probleme mit Stöckerbusch. Ihnen gilt dort eine Inhaftierung von Abschiebehäftlingen als rechtswidrig.

Seit 2007 wird nämlich in der JVA Büren auch Strafhaft verbüßt. 170 Menschen sitzen dort zur Zeit ihre Freiheitsstrafe ab. „Keine Schwerstkriminellen“, wie Udo Wehrmeier, Leiter der Justizvollzugsanstalt, betont, sondern die so genannten „Eierdiebe“, wie zum Beispiel Menschen, die notorisch keinen Fahrschein für ihre Bus- oder Zugfahrt erwerben oder Autofahrer, die Knöllchen lieber sammeln als sie zu bezahlen. Allesamt für den offenen Vollzug nicht geeignet verbringen sie höchstens drei Monate hinter Bürener Gittern. Dabei seien sie von den Abschiebehäftlingen räumlich getrennt in unterschiedlichen Häusern untergebracht, wie Wehrmeier erklärt. Auch bei den Freizeitbeschäftigungen, beim Sport, bei der Arbeit und sogar bei Gottesdiensten und dem Freitagsgebet werde darauf geachtet, dass es nicht zu persönlichen Kontakten zwischen Straf- und Abschiebehäftlingen komme.

Doch das reicht den Richtern am Amtsgericht Paderborn nicht. Schließlich verlangt die Europäische Union ausdrücklich, dass die Inhaftierung von Menschen, die sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in einem Land aufhalten, nicht zusammen mit Strafgefangenen erfolgen darf. Sie müssen in gesonderten Hafteinrichtungen untergebracht werden, so die EU-Vorgabe. „Sind spezielle Hafteinrichtungen nicht vorhanden, kann sie in diesem Land in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden, die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen“, heißt es weiter.

Und genau dieser Passus macht den Amtsrichtern Kopfschmerzen. Sicherlich gebe es in Nordrhein-Westfalen keine einzige Einrichtung, die allein dem Vollzug der Abschiebehaft vorbehalten sei, sagen sie, aber in anderen Bundesländern wie Berlin und Brandenburg sehr wohl. Möglicherweise müssten Abschiebehäftlinge aus NRW dann dorthin überstellt werden. Man sei unsicher, ob die Vorgabe der EU tatsächlich auf den deutschen Föderalismus abhebe, heißt es aus dem Amtsgericht, das deshalb am Dienstag einen Abschiebehäftling in die Freiheit entließ. Zudem verweisen die Richter auf einen entsprechenden Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH). Und so werde man auch weiterhin entscheiden – bis der Fall höchstinstanzlich geklärt ist.

Das wird der BGH schon bald tun müssen. Denn das Landgericht Paderborn teilt die Meinung der Amtsrichter nicht. Mit der in der Bürener JVA vollzogenen räumlichen und organisatorischen Trennung werde den Vorgaben der EU Rechnung getragen, bekundete die zuständige Kammer am Landgericht und erklärte jetzt die Inhaftierung eines 22-Jährigen aus dem Kosovo für rechtlich korrekt.

Es geht um die Zukunft der JVA Büren

Dagegen zieht der junge Mann, der seit fast sieben Wochen in Büren einsitzt, vor den Bundesgerichtshof. In der kommenden Woche würden die Karlsruher Richter eine Entscheidung fällen, sagt Flüchtlingshelfer Frank Gockel.

Für ihn ist das aber viel mehr als die Klärung eines individuellen Falles. „Hier geht es um die grundsätzliche Frage, ob die JVA Büren künftig eine Straf- oder eine Abschiebehaftanstalt sein wird“, sagt er. Zwar sei auch in NRW die Zahl der Abschiebehäftlinge rückläufig, aber noch immer verhältnismäßig hoch, in anderen Bundesländern tendiere sie gegen null. Grund dafür sei die gängige Rechtsprechung des BGH, vor dem die Menschen, die gegen ihre Abschiebehaft klagten, zumeist erfolgreich seien, wie Gockel erklärt. Allerdings koste die anwaltliche Vertretung vor dem BGH 350 Euro – für Flüchtlinge nicht selten eine zu hohe Summe.

Zahlen und Fakten

Am Amtsgericht Paderborn wurden 2013 insgesamt 107 Verfahren geführt, in denen sich Menschen gegen ihre Abschiebung wehrten. Insgesamt ist die Tendenz deutlich fallend, denn 2011 waren immerhin 167, 2009 sogar noch 260 Verfahren zu entscheiden. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren-Stöckerbusch wird für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm die Abschiebehaft durchgeführt. Im Durchschnitt mussten weibliche Abschiebehäftlinge knapp 29, männliche gut 35 Tage in der Justizvollzugsanstalt Büren einsitzen bezogen auf das Jahr 2012.