Oury Jalloh – Das war Mord!

Am 07.01.2005 verbrannte Oury Jalloh, an Händen und Füßen gefesselt, in einer Dessauer Polizeizelle. Der Prozess gegen die angeklagten Polizisten endete im Dezember 2008 mit einem Freispruch. Auf Verlangen der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh legte die Neben­klage Widerspruch gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) ein – und bekam Recht. Exakt am fünften Todestag Oury Jallohs bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH), was die Initiative Oury Jalloh und andere Organisationen bereits seit Langem anprangerten:

Der Prozess, der gegen die diensthabenden Polizeibeamten begann, war eine Farce:
Vertuschung des Mordes an Oury Jalloh, Kungelei und Mauern der Polizisten, Lügen und Falschaussagen der Zeugen und Angeklagten – ohne Konsequenzen. Der BGH hat daher folgerichtig entschieden, dass der Prozess gegen einen der angeklagten Polizisten neu aufgerollt werden müsse, denn die Familie des Opfers hat ein Recht auf ein rechtsstaat­liches Verfahren.
Es scheint sich die Befürchtung zu bestätigen, dass die Entscheidung, eine Revision zuzu­lassen, bloß der Versuch ist, den Druck zu mildern; denn der Prozess wird jetzt genau wie der erste verschoben und verschleppt. Dies zeigt abermals, dass das Rechtssystem in Deutschland keinerlei Interesse hat, die Wahrheit aufzudecken.

Die Anklage gegenüber Schubert bleibt „Körperverletzung mit Todesfolge“. Es wird weiter­hin nicht in Richtung „Mord“ ermittelt. Wir gehen jedoch davon aus, Oury Jalloh wurde ermordet.

Die wesentlichen Fragen, die zur Aufklärung des Mordes hätten führen können, wurden nicht beantwortet:
* Wer hat kurz vor Ausbruch des Feuers die Zelle, in der Oury Jalloh gefesselt lag, undokumentiert betreten?
* Wie gelangte ein Feuerzeug in die Zelle, obwohl Oury Jalloh zuvor gründlich durch­sucht worden ist?
* Wie kann ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch eine schwer entflamm­bare, unbeschädigte Matratze in Brand setzen?
* Was für eine Flüssigkeit befand sich kurz vor Feuerausbruch auf dem Boden der Zelle?
* Wie wurde Oury Jallohs das Nasenbein gebrochen, eine Verletzung, die bei der ersten Obduktion nicht festgestellt wurde?
* Wo ist das Video der Tatortermittlungsgruppe und wie konnte es einfach verschwinden?
* Wie konnte die zweite Handschelle, die als Beweismittel gelten sollte, weggeworfen werden?

So entstand der Eindruck, der erste Prozess diente nur dazu, die beteiligten Polizisten zu entlasten.

Oury Jalloh – Das war Mord! Alle Versuche, den Prozess weiter zu verzögern sind Ausdruck des institutionellen und strukturellen Rassismus in Deutschland. Wir geben nicht auf! Wir vergessen nicht!

Beteiligt euch an den Aktionen! In Gedenken an Oury Jalloh wird eine Demonstration an seinem Todestag in Dessau stattfinden. Am 8. Januar wird eine weitere Demonstration in Magdeburg organisiert. Am 12. Januar beginnt der Prozess gegen den Angeklagten Andreas Schubert.

Mehr Infos zum Prozess unter: http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
Zum Film Tod in der Zelle – Warum starb Oury Jalloh?: youtube

Zustände im Asylbewerberheim in Büren in der Kritik

Quelle: Neue Westfälische vom 09.12.2010

Privatsphäre zwischen Spanplatten
Grüne Ratsfraktion fordert bessere Unterbringung von Asylbewerbern / Bürgermeister sieht Populismus

VON JULIA RENNER

Büren. Eine Diskussion über die Lebensumstände im Asylbewerberheim Büren hat die Ratsfraktion der Grünen ins Rollen gebracht. „Menschenunwürdig“ sei das Leben in der früheren Schule der NATO-Siedlung, sagen die Ratsmitglieder. Bürgermeister Burkhard Schwuchow hält dagegen – er fürchtet, die Stadt solle an den Pranger gestellt werden.

„Mit Pressspanplatten sind die Räume unterteilt, teilweise gibt es keine Fenster und keine Türen, außerdem Neonbeleuchtung“, lautet der Vorwurf vom grünen Fraktionsvorsitzenden Reinhold Zühlke. Eine Privats- oder Intimsphäre hätten die Asylbewerber nicht. Ebenso nur sporadisch die Möglichkeit, Sprachkurse zu absolvieren, die Möbel hätten „Sperrmüll-Niveau“ und Sport könnten die Männer auch nicht machen. „Und der Hausmeister macht die Sozialbetreuung“, schimpft Reinhold Zühlke.

Von den Zuständen habe sich die Fraktion bei einem Besuch Anfang November selbst überzeugen können. Und dabei auch erfahren, so Zühlke, dass sich die Asylbewerber in dem Haus nicht wohl fühlen und sogar unter Depressionen leiden.

Nach Meinung der Grünen gibt es vieles, was sich ändern müsste. „Denn das ist eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit.“ Die Fraktionsmitglieder fordern, die Asylbewerber in den Wohnungen in der Schumanstraße unterzubringen. „Es sind genügend Wohnungen frei auf dem Gelände.“ Für sie steht fest: Die Stadt muss eine bessere Unterbringung bezahlen. Und: „Das ist keine anrührende Geschichte kurz vor Weihnachten, da sind wir schon länger dran.“

Das jedoch vermutet Bürgermeister Burkhard Schwuchow. „So wird Politik auf dem Rücken Betroffener gemacht.“ Für den Rathauschef ist das „Populismus, den ich nicht unterstützen möchte“.

Dass die Unterbringung nicht gestaltet sei wie das eigene Zuhause, sei selbstverständlich. „Das wäre nicht realisierbar und auch nicht finanzierbar“, sagt Schwuchow. Schließlich seien alle auch nur Übergangsbewohner. Im Jahr 2010 seien elf Asylbewerber gekommen, im vergangenen Jahr 13. „Und im Schnitt bleiben sie ein Jahr lang“, sagt Marion Altemeier, die erste Ansprechpartnerin für die Asylbewerber ist.

Die Unterbringung bedürfe, so betont Schwuchow, keinerlei Beanstandung. Jeder habe seine Privatsphäre. „Das Asylbewerberheim wird regelmäßig kontrolliert vom Gesundheitsamt und auch vom Liegenschaftsamt. Wir brauchen uns damit nicht zu verstecken.“ Für die soziale Betreuung sorge nicht der Hausmeister, sondern die Caritas, stellt Schwuchow klar. „Die meisten sind zufrieden“, sagt Marion Altemeier. Natürlich seien aber einige frustriert, weil sie keine Perspektive für ihr Leben sehen.

Ein Umzug in die ehemaligen Soldatenwohnungen sei außerdem nicht möglich. „Die Wohnungen wurden verkauft.“ Ab nächstem Jahr gebe es dennoch mehr Platz im Heim, denn der Jugendtreff, der noch in dem Haus ist, wird dann an einen anderen Ort verlegt.

Suizidversuch in Hamburg

Im Abschiebeknast in Hamburg hat es erneut einen Suizidversuch gegeben – zum Glück ist er misslungen. Der 22jährige war am Todestag seines Vaters inhaftiert worden. Dieser hatte sich 2002 aus Angst vor seiner Abschiebung öffentlich verbrannt.

Siehe dazu den heutige Artikel aus der taz-nord

Abschiebehaft abschaffen! Sofort, ersatzlos, überall!

Kundgebung gegen Abschiebehaft in Ingelheim

Verschiedene Initiativen, Organisationen und Parteien rufen am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrecht ab 16:00 Uhr zu einer Kundgebung gegen den Abschiebeknast in Ingelheim auf.
Unter dem Motto „Abschiebeknast Ingelheim abschaffen. Menschenrechte sind unantastbar.“ fordern sie „ein Ingelheim, ein Rheinland Pfalz ohne Abschiebeknast.“
Treffpunkt ist um 16 Uhr am Abschiebeknast, Konrad Adenauer Str. 51 in Ingelheim
Als Redner_Innen sind angekündigt:

Bernd Mesovic Pro Asyl
Daniel Köbler Landesvorstandssprecher Grüne RLP
Pfr. Siegfried Pick AKL Asyl RLP
Klaus Bless Saarländischer Flüchtlingsrat
Helga Frey Ingelheim

Hier ist der Aufruf zu der Aktion:

Abschiebeknast Ingelheim abschaffen
Menschenrechte sind unantastbar.

Kundgebung am Tag der Menschenrechte 10.12.2010

In Ingelheim sind Flüchtlinge, die nichts verbrochen haben, bis zu 18 Monate in einem Hochsicherheitsknast eingesperrt.Nach dem Landesaufnahmegesetz dürfen den in Abschiebungshafteinrichtungen untergebrachten Personen, nur „die zum Zwecke des Vollzugs der Abschiebungshaft und zur Aufrechterhaltung von Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erforderlichen Beschränkungen auferlegt werden“.

Ein Hochsicherheitsgefängnis ist hierfür in keiner Weise geeignet.

Zahlreiche Flüchtlinge werden zudem entlassen, nachdem sie anwaltliche Hilfe erhalten haben.

Sie waren zu Unrecht eingesperrt.

Rheinland Pfalz ist ein weltoffenes Land, in dem kein Platz ist für ein Symbol der Abschreckung und Entrechtung.

Wir fordern ein Ingelheim, ein Rheinland Pfalz ohne Abschiebeknast.

Quelle: http://www.coolingstar.de/agf/content/demo-gegen-abschiebegef%C3%A4ngnis-ingelheim

Trotz Erlass: Abschiebungen von Düsseldorf

Gleich zwei Abschiebeflüge sollen in den nächsten Tagen von Düsseldorf aus gestartet werden. Der erste am 07. Dezember geht nach Pristina, der andere zwei Tage später nach Belgrad. An Bord der Abschiebecharter werden auch Roma sein.

Dabei hat NRW vor ein paar Tagen erst per Erlass einen vorübergehenden Abschiebestopp für Minderheiten aus dem Kosovo beschlossen (s. Erlass). Ausgenommen sind Flüchtlinge, die zu einer Strafe von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt worden sind.
Die Flüge werden trotzdem stattfinden – mit Flüchtlingen aus anderen Bundesländern. Insbesondere aus Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sollen für diese Flüge Roma angemeldet worden sein. Die Betroffenen erwartet Armut, Ausgrenzung, knapper Wohnraum und Mangel an Heizmaterialien. Im Falle von Krankheit können sie keine Hilfen in Anspruch nehmen.

Wir rufen dazu auf, die Abschiebungen zu behindern und schließen uns dem Aufruf von alle-bleiben.de an:

Wir müssen wirklich diese Abschiebungen verhindern. Wir müssen gemeinsam all unsere Möglichkeiten nutzen. Bitte Informiert eventuell gefährdete Flüchtlinge in eurer Umgebung. Seit Aufmerksam! Überprüft wie lange die Duldungen der Betroffenen noch laufen. Enden diese beispielsweise am 15.12. oder eher ist die Gefahr sehr groß und ihr solltet euch schnell Gedanken machen, welche Möglichkeit euch zu ihrem Schutz zur Verfügung steht und diese nutzen. Die Zeit ist knapp, daher ist schnelles reagieren wichtig!

In Göttingen wird am Montag, den 6.12. um 18h ab Kornmarkt eine Demonstration gegen die Abschiebungen stattfinden. Auch am Flughafen Düsseldorf kann protestiert werden – haltet die Augen offen!

Wer kommen will soll kommen dürfen! Wer bleiben will soll bleiben dürfen!

Verfahren gegen Demoteilnehmer eingestellt

Tatvorwürfe nicht beweisbar – Polizeieinsatz höchst fragwürdig

Pressemitteilung der Bürengruppe vom 02.12.2010

Paderborn. Der Berufungsprozess gegen einen Teilnehmer der Demonstration gegen Abschiebehaft in Büren wurde gestern durch das andgericht Paderborn eingestellt, nachdem dieser in erster Instanz freigesprochen worden war.
Am 29.08.2009 hatte der Beschuldigte Jorge P. (Name geändert) an der Demonstration gegen Abschiebehaft in Büren teilgenommen. Die Polizei fuhr während der gesamten Demonstration mit einem Kamerawagen nebenher, und dies, obwohl sie von den VeranstalterInnen mehrfach aufgefordert worden war, dies aufgrund des friedlichen Charakters der Demo zu unterlassen. Jorge P. übte am Rande der Abschlusskundgebung lautstark Kritik an diesem Vorgehen, indem er es mit Methoden der Stasi verglich.
Daraufhin wurde er von mehreren Beamten zunächst aufgefordert, seine Personalien abzugeben und schließlich gewaltsam gefesselt und von der Versammlung entfernt.
Die Vorwürfe lauteten: Beleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte Körperverletzung.
Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Paderborn am gestrigen Mittwoch, den 1.12.2010 war jedoch schnell vorbei: Die Beteiligten einigten sich auf die Einstellung des Verfahrens. Zu schwammig war die Beweislage, außerdem fürchtete die Staatsanwaltschaft wohl Schadensersatzansprüche des Beklagten im Falle eines Freispruchs.

Alle Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft waren nämlich im Laufe des ersten Prozesses vor dem Amtsgericht Paderborn zu Staub zerfallen. Mit seiner Kritik am Kameraeinsatz der Polizei befand sich Jorge P. im Einklang mit diversen Verwaltungsgerichtsurteilen, die ein präventives Abfilmen einer friedlichen Versammlung als nicht verfassungskonform einstufen.
Sein Verteidiger Sebastian Nickel wies außerdem daraufhin, dass eine solche Kritik, ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit, grundsätzlich vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist und keineswegs eine Beleidigung darstellt.
Auch die Tatvorwürfe Widerstand und versuchte Körperverletzung konnten nicht bewiesen werden.
Die Aussagen dreier am Einsatz beteiligter Polizeibeamte aus Bielefeld und Minden-Lübbeke hatten sich in zahlreichen Punkten widersprochen. Zwar behaupteten sie alle, Jorge P. habe sich gewehrt und versucht,
sich der Personalienfeststellung zu entziehen; worin dieser angebliche Widerstand aber bestanden haben soll, darüber gingen die Aussagen auseinander.
Lediglich einer der drei Beamten war unmittelbar nach dem Einsatz zu den Vorwürfen vernommen worden. Dabei hatte er zu Protokoll gegeben, er habe gesehen, dass Jorge P. getreten habe. Während der Verhandlung musste er jedoch einräumen, dass er genau das nicht gesehen, sondern lediglich von seinen Kollegen gesagt bekommen hatte. Dies wirft ein höchst fragwürdiges Licht auf den Umgang der Polizei mit solchen Vorfällen.
Viel mehr spricht dagegen für die Version des Beklagten: die Beamten sind demnach zu mehreren auf ihn zugegangen und haben ihn mit Gewalt festgehalten. Aufgrund einer Arthrose hatte er starke Schmerzen, als ihm die Hände auf den Rücken gedreht wurden. Er versuchte, sich diesen Schmerzen zu entziehen, brach dann aber zusammen und fiel auf die Knie. In dieser Position fesselten ihn die Beamten mit Kabelbindern und brachten ihn zur Polizeiwache Paderborn.
Eine halbe Stunde nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam diagnostizierte die Notaufnahme eines Paderborner Krankenhauses nicht nur Prellungen an Handgelenken und Knie, sondern auch Schürfungen bei Jorge P.

„Für die Demonstrationsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung ist die Einstellung des Verfahrens ein Erfolg. Der Protest gegen den Abschiebeknast in Büren ist berechtigt und wird auch in Zukunft weitergehen.“, sagte Sandro Azzelini, Sprecher der Bürengruppe Paderborn, die die jährlichen Demonstrationen organisiert. „Einer Kriminalisierung dieses Protests werden wir entschieden entgegentreten.“
Dass die Körperverletzung von Jorge P. durch die Polizeibeamten dagegen nicht geahndet wird, steht einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht. Dass dies kein Einzelfall in Deutschland ist hat der jüngst erschienene Bericht „Täter unbekannt“ von amnesty international aufgezeigt. Die Menschenrechtsorganisation dokumentiert, dass Verfahren gegen Polizeibeamte selten erfolgreich sind und befürchtet, „dass das gegenwärtige System, in welchem die Polizei unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, keine umgehenden, unparteiischen, unabhängigen und umfassenden Untersuchungen aller mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gewährleisten kann.“ (siehe http://www.amnestypolizei.de/kampagne/bericht.html)
Jorge P. lässt sich indessen nicht einschüchtern: „Ich werde auch weiterhin gegen Abschiebehaft und für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant_Innen auf die Straße gehen.“

Antifa-Demo in Minden

Aufruf des Antifa-Infoportal Weser/Deiser/Leine

Schluss mit Lustig! Dem Naziterror entschlossen entgegen treten!

04.12.2010 // 18 Uhr
Minden // Wesertor

In den letzten Monaten kam es in Ostwestfalen-Lippe, dem Landkreis Schaumburg und der Region Hannover wiederholt zu brutalen Übergriffen von Neonazis. Der Überfall auf eine als „alternativ“ geltende Kneipe in Minden am 28.11.2010 durch eine Gruppe von bis zu 8 vermummten Schlägern, die bei ihrer Tat unter anderem „Sieg Heil!“ brüllten, stellt den bisherigen Höhepunkt einer Serie von Drohungen und Tätlichkeiten gegen Menschen dar, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen. Wir haben uns entschlossen, unsere tiefe Ablehnung gegenüber diesen Taten und der ihnen zu Grunde liegenden rechten Ideologie öffentlich Ausdruck zu verleihen. Auch wollen wir klar stellen, dass wir uns von den Neonazis nicht einschüchtern lassen und uns nun erst recht offensiv auf der Straße zeigen.

Ein weiteres Anliegen ist es uns, den Zusammenhang zwischen den vermeintlichen „Einzelfällen“ deutlich zu machen, der in den Medien bisher nicht hergestellt wurde. Als Beginn der aktuellen Übergriffsserie sehen wir die Ereignisse am 14. August. An diesem Tag fand in Bad Nenndorf im Landkreis Schaumburg zum wiederholten Male ein Naziaufmarsch statt. Dieser blieb zwar nicht ungestört, aber konnte von einem riesigen Polizeiaufgebot doch durchgesetzt werden. Von diesem Erfolg beflügelt, versuchten am späten Abend des 14. August 40 Neonazis, das Kultur- und Kommunikationszentrum „Wohnwelt“ in Wunstorf in der Region Hannover anzugreifen und scheiterten nur knapp mit ihrem Vorhaben. Anhänger_innen der Neonazi-Szene in Schaumburg und Ostwestfalen-Lippe, die maßgeblich am Aufmarsch in Bad Nenndorf beteiligt waren, schlugen in der Nacht des 31. August 2010 einen jungen Mann in Bückeburg auf offener Straße zusammen, da sie ihn für einen politischen Gegner hielten. Der Mann erlitt schwere Verletzungen und musste im Krankenhaus behandelt werden. Bis heute gibt es immer wieder Drohungen in verschiedenen Formen gegen Antifaschist_innen, die im Einzelnen nicht öffentlich gemacht wurden. Einige Stunden vor dem Überfall auf den „Hamburger Hof“ in Minden, attackierten mehrere Neonazis einen Jugendlichen in Detmold mit Flaschen und Pfefferspray.

All diese Taten sind für uns geplante Aktionen einer straff organisierten Neonazi-Szene, die von Ostwestfalen-Lippe über Schaumburg bis zum Rand der Region Hannover reicht. Diese Szene hat sich dem „Kampf um die Straße“ verschrieben. Da unser antifaschistischer Widerstand die Neonazis immer wieder effektiv behindert, haben sie uns zum Hauptziel ihres „Kampfes“ gemacht.

Nur zwei Tage vor dem Überfall in Minden verurteilte das Landgericht in Hannover den Neonazi Marco Siedbürger, der zuletzt im Landkreis Minden-Lübbecke gewohnt hat, zu einer fast 2jährigen Haftstrafe, da dieser im März 2009 auf eine am Boden liegende Antifaschistin eintrat. Ein solches Urteil ist selten. Es liegt uns aber auch fern, im Kampf gegen Neonazis oder sonst irgendwann nach der „starken Hand“ des Staates zu rufen. Denn wie weit kann es mit dem „Antifaschismus“ eines Staates her sein, der – wie aktuell in Wunstorf – Kulturzentren mit antifaschistischem Selbstverständnis schließen will, der eine rassistisch Flüchtlingspolitik betreibt und der die wenigen Gelder für Initiativen gegen Neonazis zu Gunsten eines ominösen „Anti-Extremismus“ zusammenstreicht?

Zu antifaschistischem Widerstand gibt es für uns keine Alternative! Dem Naziterror gilt es entschlossen entgegen zu treten – nicht nur am 4. Dezember in Minden sondern immer und überall!

Antifascista siempre!

OLG kassiert Skandalurteil im RABATZ-Verfahren

Pressemitteilung der RABATZ-Gruppe Paderborn

RabatzVom 29.9. bis 7.11.2007 wurde in Paderborn durch eine „Hausbesetzung“ ein lehrstehendes, städtisches Gebäude in ein Kulturzentrum für die Menschen der Stadt umgewandelt. Das Landgericht Paderborn verurteilte einen der angeblichen Hausbesitzer zu 95 Tageessätzen á 30 €. Mit Beschluss vom 16.11.2010 (III – 4 RVs 85/10) hat das Oberlandesgericht Hamm das Skandalurteil kassiert.

Es war schon außergewöhnlich, was sich am 5.7.2010 vor dem Landgericht Paderborn abgespielt hat. Frank Gockel von der RABATZ-Gruppe war wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Er soll sich in einem besetzten Haus, was als Kulturzentrum das Leben der Paderstadt für einige Wochen bereichert hatte, aufgehalten haben. Gockel machte von seinem Recht Gebrauch, sich zu dem Vorfall nicht zu äußern. In der Beweisaufnahme kam es dann zu einem Skandal. Während auf der einen Seite „Überraschungszeugen“ zugelassen wurden, um eine Verurteilung von Gockel zu untermauern, wurden alle Beweisanträge für seine Unschuld abgeschmettert. Gockel, der kein faires Verfahren mehr erwartet, verließ noch vor der Urteilsverkündigung den Gerichtssaal. Die Staatsanwaltschaft forderte 90 Tagessätze, Gockel wäre damit nicht Vorbestraft. Zuwenig, befand das Landgericht, eine Vorstrafe solle schon sein und erhöhte die Anzahl der Tagessätze um 5 weitere Tage.

Dieses Skandalurteil hat nun das OLG Hamm in seinem Beschluss kassiert. In einer Vielzahl von Punkten nahm es die Beweisführung des Landgerichts Paderborn auseinander. Letztendlich ist es dem Landgericht nicht in einem Punkt gelungen nachzuweisen, dass Gockel tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen hat.

Das Verfahren wurde nun an einer anderen Kammer des Landgerichts verwiesen. Dort muss eine erneute Beweisaufnahme klären, was Gockel vorzuwerfen ist. Es wird höchst fraglich sein, ob er dieses Mal verurteilt wird. Selbst wenn es zu einer Verurteilung kommt, geht das OLG davon aus, dass es höchstens im Bereich einer Geldstrafe im „aller untersten Bereich des Strafrahmens oder eine Verwarnung“ (Zitat aus dem Beschluss des OLG) liegen darf.

Gockel prophezeite schon unmittelbar nach dem Urteilsspruch des LG Paderborn, dass dieses vor dem OLG kein Bestand haben würde. Er äußerte sich damals in einer Pressemitteilung: „Dem Gericht geht es letztendlich nur um eines, einen engagierten Bürger, der bereits mehrfach auf die katastrophalen Verhältnisse im Bereich der Rechtsprechung des Amts- und Landgericht Paderborn zum Thema Abschiebehaft aufmerksam gemacht hat, endlich Mundtot zu machen.“ Er sollte damit Recht behalten. „Ob es jetzt zu einem fairen Verfahren kommen wird, bleibt abzuwarten“, so Gockel heute. Er ist skeptisch, will aber dem Landgericht zumindest eine Chance einräumen.

Abschiebung in aller Härte

Quelle: http://www.derwesten.de/nachrichten/Abschiebung-in-aller-Haerte-id3973433.html

Düsseldorf. Er ist ein 17-Jähriger Flüchtling aus Afghanistan. Das Schicksal hat ihn irgendwie ins Rheinland verschlagen. Die Ausländerbehörden setzten alles daran, ihn schnell wieder abzuschieben. Auch Selbstmordversuche schützten ihn nicht.

Er ist kein Junge, den Deutschland willkommen heißt. Er hilft nicht gegen den Fachkräftemangel und fragt nicht nach Integrationskursen. Er spricht kaum Deutsch, er benimmt sich zuweilen daneben, ist krank, verschüchtert und heimatlos. So ein Junge darf nicht auf Verständnis hoffen. Der Junge, von dem hier die Rede ist, hat sogar die volle Staatsgewalt gespürt.

Hakim (Name geändert) ist 17 und stammt aus Afghanistan. Er ist ein „unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling”, also einer, der ohne Verwandte einreist. Das Schicksal hat Hakim irgendwie ins Rheinland gespült. Er hat schon viel erlebt: Ein paar Jahre Sklavenarbeit im Iran, Schläge in ungarischer Abschiebehaft, und er hat mehrfach versucht, sich umzubringen.

Behörde änderte das Geburtsdatum

Menschenrechtler der Evangelischen Kirche und des Flüchtlingsrates NRW meinen, dass dem Flüchtling Hakim übel mitgespielt wurde. Hakim hatte dem Bundesamt für Migration im Februar gesagt, dass er 17 sei. Die Behörde schrieb ein anderes Geburtsdatum in die Akte: 1. Januar 1992. Volljährig also und damit schneller abzuschieben. „Von Ämtern willkürlich gewählte Geburtstage sind üblich, wenn es um jugendliche Asylbewerber geht”, sagen Hans-Joachim Schwabe vom Kirchenkreis Jülich und Volker Maria Hügel vom Flüchtlingsrat NRW. Dass Hakim ein paar Wochen später eine Geburtsurkunde nachreichte, interessierte nicht mehr.

Hakim sollte schnell zurück nach Ungarn, denn dort war er in die EU eingereist und im Land der Einreise muss das Asylverfahren eingeleitet werden. Hakim wollte nicht nach Ungarn. Im Aufnahmelager in Schöppingen stürzte er sich in eine Glasscheibe. Mehrere Male landet der Junge in der Psychiatrie und in Haft. Eine Psychologin der Justizvollzugsanstalt Bochum bescheinigt ihm eine schwere Traumatisierung. Hakim erzählt, dass er in der Abschiebehaft in Büren aus der zweiten Etage sprang. Danach habe er sich in der Zelle den Kopf blutig geschlagen. Dennoch stellte ihm ein Arzt auf den Flughafen Düsseldorf eine „Fit to fly”-Bescheinigung aus. Das bedeutet: reisefähig. Hakim beteuert, der Arzt habe nicht mal mit ihm gesprochen. Ein Lufthansa-Kapitän weigerte sich, den blutenden und zeternden Jungen mitzunehmen.

Das Verwaltungsgericht Aachen verfügte im Eilverfahren einen vorläufigen Abschiebestopp. Hakim sei mitnichten reisefähig, seine Verletzungen seien zum Teil unbehandelt. Dennoch, so Schwabe, habe die zuständige Ausländerbehörde die Abschiebung weiter betrieben

„Selbstmordgefahr schließt Reisefähigkeit aus“

„Das ist kein Einzelfall”, unterstreicht der Flüchtlingsrat. Immer wieder würden die Altersangaben der jungen Flüchtlinge nicht ernst genommen, und es gebe Mediziner, die auch noch einem Schwerstverletzten die Reisefähigkeit attestierten. Bis zu 2000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelangen jedes Jahr nach Deutschland. Sie kommen vor allem aus Afghanistan, Somalia und aus dem Irak. „Das Kindeswohl muss vorgehen, ein Abschiebeverfahren sollte hier nicht mit voller Härte durchgezogen werden”, meint Hügel.

Monika Düker, NRW-Landesvorsitzende der Grünen, sieht das genauso. „Ich erwarte, dass die Ausländerbehörden im Rahmen ihres Ermessensspielraums menschlich handeln.” In diesem Fall habe man sich auch nicht an geltende Erlasse gehalten. „Selbstmordgefahr schließt Reisefähigkeit aus”, unterstreicht Düker. Außerdem müsse nicht vertrauenswürdigen „Abschiebeärzten” das Handwerk gelegt werden.

Das Ausländeramt in Heinsberg, wo Hakim gemeldet ist, sagt, dass „derzeit keine weiteren Maßnahmen” gegen den Flüchtling geplant seien. Er verhalte sich ruhig und lerne Deutsch.

Daten zu Abschiebehaft und Lagern

Daten und Fakten zur Abschiebungshaft in Deutschland – Eine aktuelle Übersicht (Stand: 30. August 2010)

Seit dem Jahr 2004 dokumentiert der Interkulturelle Rat gemeinsam mit PRO ASYL alljährlich anlässlich des Bundesweiten Gedenktags an die Toten in Abschiebungshaft am 30. August eine Übersicht über Große und Kleine Anfragen, die zum Themenfeld „Abschiebungshaft“ im Berichtszeitraum in den Bundestag und die Landtage eingebracht und von den Regierungen beantwortet wurden. Ergänzt werden diese Übersichten um weitere relevante Dokumente, die Aufschluss über die aktuelle Situation in einzelnen Bundesländern geben können. Der diesjährigen Übersicht gehen wichtige Informationen zu den gesetzlichen Grundlagen der Abschiebungshaft, den Entwicklungen der vergangenen Jahre im Hinblick auf Minderjährige und Suizid(versuch)e in Abschiebungshaft sowie Hinweise auf die schwierige Datenlage voraus. Dokument öffnen

Lagerinformationen aus NRW

Anlässlich einer geplanten gemeinsamen Kampagne der Landesflüchtlingsräte zum Thema „Ausgrenzung“ hat der Flüchtlingsrat NRW bei den zuständigen Flüchtlingsberatungsstellen und Organisationen vor Ort Informationen über die Lagersituation in Nordrhein Westfalen eingeholt. Es ergibt sich ein sehr heterogenes Bild.
Dokument öffnen