Weibliche Abschiebehäftlinge ab heute in der JVA Büren

Pressemitteilung von „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ vom 14.11.2011:

Büren/Neuss Heute schließt die JVA Neuss, bisher Deutschlands einziges Abschiebegefängnis für Frauen. Die inhaftierten Frauen werden ab sofort in der JVA Büren untergebracht.

Am 20.10.2011 hatte das Justizministerium NRW beschlossen, dass die JVA Neuss ab dem 7. November 2011 keine neuen Abschiebehäftlinge mehr aufnimmt.

Damit ist die JVA Büren, Deutschlands größtes Abschiebegefängnis, jetzt auch für den Vollzug für Frauen zuständig.

Am heutigen Tage erfolgt dann die Überstellung der Frauen, die sich noch in der JVA Neuss aufhalten, in die JVA Büren. Die Neusser Einrichtung schließt dann am 15. November 2011 endgültig die Tore.

Der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ kritisiert, dass die Landesregierung die Chance versäumt hat, bei der Schließung der JVA Neuss über eine Vermeidung von Abschiebehaft nachzudenken.

Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, in dem mit Abstand die meisten Abschiebegefangenen untergebracht werden. Während in den meisten Bundesländern weniger als 10 Haftplätze für Abschiebehäftlinge gebraucht werden, befinden sich in NRW mehr als 140 Menschen in Haft.

„Viel zu schnell und häufig wird Abschiebehaft in NRW angewandt. Zwar hat die Landesregierung bereits seit Jahren einen Erlass herausgegeben, der Haft vermeiden soll. Aber die Durchführung wird nicht wirksam kontrolliert und so ignorieren viele Ausländerbehörden diese Vorschriften“, so Frank Gockel, Pressesprecher des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“. Die fehlende Überwachung der Ausländerbehörden ist für Gockel nur ein Grund von vielen, der deutlich macht, wie ungerecht Abschiebehaft ist. Gockel fordert daher die Schließung aller Abschiebegefängnisse in Deutschland.

Für den Verein kommt hinzu, dass die Haftbedingungen in NRW in vielen Punkten hinter anderen Gefängnissen zurückliegen. Während zum Beispiel in Berlin, Deutschlands zweitgrößtem Abschiebegefängnis mit aktuell 18 Gefangenen, die Menschen nicht in den Zellen eingeschlossen werden, die Nutzung von Handys möglich ist und auf Einzelhaft als Sanktionsmöglichkeit verzichtet wird, sind die Rahmenbedingungen in der JVA Büren eher als unterdurchschnittlich anzusehen.

Dieses wiegt besonderes schwer, da Abschiebehäftlinge keine Straftäter sind. Sie werden allein mit dem Ziel inhaftiert, den Verwaltungsakt der Abschiebung für die Ausländerbehörden zu erleichtern. Bei den inhaftierten Frauen kommt hinzu, dass viele von Ihnen Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden sind. Sie bedürfen eines besonderen Schutzes und eine Inhaftierung scheidet allein deswegen aus.

UPDATE 15.11.2011:

Artikel dazu in der Neuen Westfälischen vom 15.11.2011: http://www.nw-news.de/lokale_news/paderborn/paderborn/5322198_Tueren_auf_fuer_weibliche_Haeftlinge.html
Bilderstrecke in der selben Ausgabe: http://bilder.nw-news.de/bueren_die_ersten_weiblichen_haeftlinge_wurden_in_der_jva_bueren_untergebracht/60/716087/716087.html

Start des Antira-Kompass‘

Rechtzeitig zur 2. Konferenz der antirassistischen Bewegung (No Border Lasts Forever 2) in Frankfurt am Main am kommenden Wochenende startet die Web-Plattform Antira-Kompass. Als Idee bereits auf der ersten Konferenz entwickelt und seit dem grenzfrei-Festival in Münster konkret in Angriff genommen, will der Kompass einen Überblick über alle Aktivitäten, Netzwerke, Kampagne und Gruppen der antirassistischen Bewegung in Deutschland geben. Er soll eine Orientierungshilfe im Jungel der vielfältigen Mobilisierungen sein.

Nun ist der Kompass mit einem ersten Grundgerüst an den Start gegangen. Die Inhalte sollen jetzt Stück für Stück ausgebaut werden. Die Qualität als Landkarte der antirassistischen Landschaft hängt dabei auch davon ab, dass möglichst viele dem Projekt zuarbeiten, damit der Kompass seinem Anspruch gerecht werden kann. Wer sich beteiligen will ist herzlich eingeladen, den Workshop auf der Konferenz am Sonntag zu besuchen oder sich unter kompass-notify@antira.info zu melden.

Abschiebungshaft in Deutschland teilweise rechtswidrig

Pressemitteilung des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes vom 08.11.2011. Online unter: http://www.jesuiten-fluechtlingsdienst.de/images/pdf/111108%20pm%20jrs%20abschiebungshaft.pdf

Landgericht Leipzig: Keine Inhaftierung von Abschiebungsgefangen zusammen mit Straf- oder Untersuchungshäftlingen

Berlin, 8.11.2011 – Dass mehrere Bundesländer Abschiebungsgefangene zusammen mit Straf- oder Untersuchungshäftlingen unterbringen, verstößt gegen europäisches Recht. Dies ergibt sich aus einer jetzt veröffentlichten Entscheidung des Landgerichts Leipzig (Az. 07 T 104/11, Beschlüsse vom 20.9. und 4.11.2011).
Das Gericht hatte über den Fall eines Tunesiers zu entscheiden, der in der Zeit vom 11.2.2011 bis 28.2.2011 seine Zelle erst mehrere Tage mit einem Untersuchungshäftling, danach mit einem Strafgefangenen teilen musste.

Das Landgericht Leipzig stellte fest, dies habe gegen die sogenannte Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union verstoßen. Die Richtlinie regelt Mindeststandards für den Umgang mit ausreisepflichtigen Ausländern. Unter anderem bestimmt sie, dass die Betroffenen getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden müssen. „Das Gericht hat nun bestätigt, dass dieser Grundsatz auch für die Untersuchungshaft gilt“, so die Münchener Rechtsanwältin des Betroffenen, Gwendolin Buddeberg.

„Die Bundesregierung muss durch eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes klarstellen, dass Abschiebungsgefangene strikt getrennt von Straf- und Untersuchungsgefangenen unterzubringen sind“, forderte Heiko Habbe, Jurist beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland. „Das ist auch der Standpunkt der Europäischen Kommission.“ Letztlich sei dies nur durch spezielle Abschiebehafteinrichtungen zu gewährleisten. Bislang sei jedoch nicht einmal die Mindestforderung der Rückführungsrichtlinie, nämlich das Trennungsgebot innerhalb einer gewöhnlichen Haftanstalt, in deutsches Recht umgesetzt. Habbe verwies auf eine europaweite Studie des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, nach der Isolation, Kontaktbeschränkungen und lückenhafte Informationen, wie sie das Leben von Abschiebungsgefangenen gerade in gewöhnlichen Gefängnissen prägen, zu psychischen und physischen Erkrankungen beitragen.

Aktuell vollziehen noch mehrere Bundesländer Abschiebungshaft in gewöhnlichen Haftanstalten und trennen dabei nicht strikt die Abschiebungsgefangenen von Straf- oder Untersuchungshäftlingen. Bekannt geworden sind neben Sachsen u. a. Fälle aus Bayern, Hessen und Hamburg.

Die Studie „Becoming Vulnerable in Detention“ (Jesuit Refugee Service Europe, Brüssel 2010) ist downloadbar unter www.jrseurope.org, die deutsche Teilstudie „Quälendes Warten – Wie Abschiebungshaft Menschen krank macht“ unter www.jesuiten-fluechtlingsdienst.de.

Abschiebungen gehen weiter

Im letzten Jahr entschied die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, dass Angehörige von ethnischen Minderheiten (Roma, Ashkali, Ägypter) über die Wintermonate nicht nach Serbien und in das Kosovo abgeschoben werden sollten. Zu diesem Zweck wurde am 01.12.2010 vom Innenministerium ein Erlass herausgegeben, in dem die Aussetzung von Abschiebungen bis zum 31. März 2011 verfügt wird. Zur Begründung hieß es:

(I)n Serbien und im Kosovo sind die Lebensbedingungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten (…) weiterhin schwierig. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich die angespannte wirtschaftliche und soziale Situation in der Winterzeit weiter verschärft und zu besonderen Härten führt.

Diese Regelung brachte Betroffenen eine zwar nur vorübergehende Pause in ihrer ständigen Angst vor Abschiebung. Dennoch konnte diese Zeit in Einzelfällen genutzt werden, einer längerfristigen oder gar dauerhaften Bleibeperspektive näher zu kommen.

Die Situation im Kosovo und in Serbien ist nach wie vor katastrophal für Abgeschobene, wie zahlreiche Berichte beweisen. Beispielhaft seien genannt der UNICEF-Bericht: Abgeschoben und vergessen – Zur Situation von Kindern aus Roma-, Ashkali- und Ägypter-Familien nach ihrer Rückführung in den Kosovo. sowie die Ergebnisse einer Recherchereise eines Teams des Roma Centers Göttingen e.V. vom 31.08.-14.09.2011. Auch die OSZE sieht kaum Fortschritte. Im August diesen Jahres hat Baden-Württemberg die Abschiebung von Roma in das Kosovo und nach Serbien vorerst gestoppt. „Die Lage dort ist besonders für Roma unsicher“, sagte der Sprecher von Innenminister Lothar Gall (SPD).

In Düsseldorf wird dies offenbar anders gesehen. Die Chancen, dass erneut ein Abschiebestopp über den Winter erlassen wird, stehen schlecht. Zur Begründung werden rechtliche Argumente vorgeschoben, tatsächlich stecken finanzielle Überlegungen dahinter: jeder verlängerte Aufenthalt kostet die Kommunen Geld. Und da spart eine rot-grüne Landesregierung auch gerne mal bei den Menschenrechten.

Menschen, die geflohen sind brauchen ein dauerhaftes und unbeschränktes Aufenthaltsrecht in Deutschland. Gerade gegenüber Roma hat Deutschland auch eine historische Verantwortung. Niemand sollte in ein Land zurückgeschickt werden, in dem ihnen Obdachlosigkeit, Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit drohen.

Abschiebung ist Mord! Bleiberecht für alle!

In Zukunft auch Frauen in der JVA Büren

Laut Zeitungsberichten steht der einzige Frauen-Abschiebeknast Deutschlands, die JVA Neuss, vor dem Aus. Zukünftig sollen die weiblichen Häftlinge ebenfalls in Büren untergebracht werden.

Der Abschiebeknast in Neuss war, ebenso wie der in Büren, 1993 im Zuge der faktischen Abschaffung des Asylrechts eingerichtet worden. Rund 80 Plätze standen zur Verfügung, zuletzt war die Anstalt jedoch nur mit durchschnittlich 18 Personen belegt. Der personelle Aufwand war daher zu hoch, weshalb nun der Umzug nach Büren ansteht.

Auch die JVA Büren ist längst nicht mehr mit so vielen Abschiebehäftlingen belegt wie zu Anfang. Standen hier bis zu 560 Plätze zur Verfügung, halten sich derzueit nur etwa 140 Häftlinge auf. Seit 2007 sind in einem getrennten Arreal innerhalb der Anstalt auch Strafgefangene untergebracht.

Ob sich die Situation für die Frauen nun verbessern oder verschlechtern wird, muss abgewartet werden. Die Besuchszeiten dürften in der JVA Büren besser sein als das in Neuss der Fall war, allerdings ist der Knast in Büren mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen. Wie die angekündigte Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle „Nadeschda“ aus Herford konkret aussehen wird, werden wir beobachten. Tatsache ist, dass die „Opfer von Zwangsprostitution“, wie es in dem Zeitungsbericht heißt, nicht nur eine gute Beratung brauchen, sondern in erster Linie ein Aufenthaltsrecht und die Entlassung in Freiheit.

Weg mit allen Abschiebeknästen!

Ungeachtet des Umzuges planen antirassistische Initiativen in Neuss die traditionelle Demonstration für den 03. Dezember 2011. Unter dem Motto „Der Knast geht, das System bleibt!“ wird ab 16:00 Uhr vor dem Hauptbahnhof gegen die alltägliche Abschiebepraxis und für Bewegungsfreiheit demonstriert.
Mehr Informationen: http://toaneuss.blogsport.de/

Residenzpflicht endlich vom Sockel stürzen!

Als Residenzpflicht wird die Pflicht für Flüchtlinge im Asylverfahren bezeichnet, die sie dazu zwingt, in dem Landkreis zu bleiben, dem sie zugewiesen sind. Residenzpflicht schränkt die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen in Deutschland radikal ein, sie ist ein rassistisches Apartheidsgesetz.
Seit Jahren kämpfen Betroffene, Flüchtlingsselbstorganisationen und antirassistische Gruppen für die ersatzlose Abschaffung dieses Gesetzes. In den letzten Monaten ist einiges in Bewegung geraten.

Lockerungen in einigen Bundesländern

Den Anfang haben die Länder Berlin und Brandenburg gemacht. Im Juli 2010 wurden die räumlichen Beschränkungen des Aufenthalts von Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen in der Region Berlin-Brandenburg partiell aufgehoben. Asylsuchende können sich seitdem ohne Antrag im gesamten Land Brandenburg bewegen; für die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung können Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge eine Dauerverlassenserlaubnis nach Berlin beantragen.
Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg haben nach einer Evaluation der neuen Regelung zwar die Richtung begrüßt, jedoch festgestellt, dass ein Teil vor allem der gedulteten Flüchtlinge von der „Reisefreiheit“ ausgeschlossen wird.
Nachdem am 17. Dezember 2010 der Bundesrat den Weg frei gemacht hat, können die Landesregierungen seitdem den Aufenthaltsbereich von Asylsuchenden auf das gesamte Bundesland erweitern. Dem weitergehenden Antrag des Landes Bremen, die Residenzpflicht ganz abzuschaffen, mochte der Bundesrat nicht folgen.
Bereits vier Tage später hat das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen eine Verordnung erlassen, die genau das regelt: Asylsuchende dürfen sich seitdem in NRW frei bewegen.
Im Januar zog das Land Sachsen nach und hob die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf – allerdings nur für Geduldete. Wie schon in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen wurden jedoch Ausnahmeregelungen geschaffen für Flüchtlinge, die „ihrer MItwirkungspflichten nicht nachgekommen sind“. Damit wird die Residenzpflicht von einem allgemeinen Abschreckungsinstrument zu einem gezielten Sanktionsmittel.
Aufgehoben wurden die Beschränkungen dann nach und nach auch in Sachsen-Anhalt (März 2011), Schleswig-Holstein (Mai 2011), Rheinland-Pfalz (August 2011) und Niedersachsen (September 2011).
In Thüringen entschloss sich die Landesregierung zu einer kleinen Lösung: so dürfen sich dort Asylsuchende nicht im gesamten Bundesland bewegen, sondern lediglich „in dem Bezirk der zugewiesenen Ausländerbehörde, vorübergehend im Bezirk angrenzender Ausländerbehörden sowie im Gebiet mindestens einer kreisfreien Stadt“. Auch in Bayern ist der Bewegungsradius für Flüchtlinge lediglich etwas größer geworden: neue Grenzen sind seit Ende 2010 die Regierungsbezirke. In Mecklenburg-Vorpommern gilt Ähnliches.

Nicht Neues aus dem Bundestag…

Am 21. September diesen Jahres war die Residenzpflicht dann Thema im Bundestag. Die SPD-Fraktion, die die Residenzpflicht 1982 eingeführt hatte, hat einen Antrag zur weitgehenden Abschaffung derselben eingebracht, der erwartungsgemäß von der schwarz-gelben Mehrheit abgelehnt wurde.
Dabei wurde mal wieder deutlich dass die Volksvertreter_innen in der Regel keine Ahnung haben, worüber sie eigentlich abstimmen: so vermischten mehrere Redner der Union die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einem bestimmten Landkreis mit dem Verbot, diesen zu verlassen.

Den Vogel jedoch schoss der schwäbische Freidemokrat Hartfrid Wolff ab. Der bislang üblichen Rechtfertigung für die räumliche Aufenthaltsbeschränkung – Asylsuchende und Geduldete sollten für die Behörden jederzeit erreichbar und greifbar sein – fügte er eine neue, durchaus originelle Begründung hinzu. Ihn scheint ein Satz im SPD-Antrag besonders provoziert zu haben: Die räumliche Aufenthaltsbeschränkung führe »für die Betroffenen zu einer starken Einschränkung der Bewegungsfreiheit und zu unerwünschter sozialer Isolation.« Selbst der CSU-Vertreter hatte eingeräumt, dass die Unterbringung im »ländlichen Raum« eine »gewisse Härte« darstelle. Wolff hält das für »absurd«: »Die Residenzpflicht hilft mit, dass die Betroffenen sich nicht in wenigen Ballungsräumen ballen und ethnisch homogene Milieus bilden können. Nicht zuletzt der Bildung von Parallelgesellschaften kann so entgegengesteuert werden.« Wir erfahren: Die ›Residenzpflicht‹ fördert die Integration.

(Quelle: residenzpflicht.info)

Einen Überblick über alle Regelungen bzw. Änderungen zur Residenzpflicht gibt es bei PRO ASYL: http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Newsletter_Anhaenge/175/ueberblick_bundeslaender_AG_Residenzpflicht.pdf (Stand: September 2011)

Sondergesetze bleiben rassistisch

Solange die Residenzpflicht nicht generell und ausnahmslos abgeschafft wird, bleibt sie als rassistisches Sondergesetz wirkmächtig, das Menschen ungleich behandelt und Gruppen von Menschen stigmatisiert und benachteiligt.
Dass und wie solche Diskriminierungen weiter fortbestehen beschreibet die Initiative Togo Action Plus e.V. aus Sachsen-Anhalt. So wird weiterhin vielen Flüchtlingen dort die Bewegungsfreiheit verwehrt, andere können ihr theoretisches Recht faktisch nicht wahrnehmen, u.a. weil die Ausländerbehörden für Genehmigungsscheine 10 € Gebühr verlangen. Die Polizei setzt ihre rassistischen Kontrollen fort und handelt z.T. gegen geltendes Recht, indem sie explizit nach einer Verlassenserlaubnis fragt, auch wenn sich Geflüchtete innerhalb der Landesgrenzen Sachsen-Anhalts bewegen.
So fordert die Initiative in einem offenen Brief an den Innenminister Sachsen-Anhalts, Herrn Holger Stahlknecht, konsequenterweise nicht nur die Abschaffung der Residenzpflicht, sondern auch ein Ende der rassistischen Polizeikontrollen und der Lagerunterbringung.

Die 10 € – Gebühr beschäftigt derweil auch die Gerichte: Seit 2007 klagt Komi E. dagegen und bekam vom Verwaltungsgericht Halle (Saale) Recht. Laut Urteil vom 26. Februar 2010 ist das Erheben von Gebühren für die Erteilung einer Verlassenserlaubnis rechtswidrig. Trotz dieses Urteils werden in der Praxis der Ausländerbehörden teilweise noch immer 10 € von dem wenigen Bargeld Geflüchteter einkassiert. Nun möchte der Landkreis Saalekreis im Berufungsverfahren die Gebühr scheinbar rechtskräftig machen. Am Mittwoch, den 26. Oktober 2011 um 11:00 Uhr startet der Prozess der Ausländerbehörde gegen Komi E. vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Magdeburg). Die Initiative Togo Action Plus e.V. lädt Aktivist_innen, Interessierte und die Presse zu diesem Prozess ein, in dessen Anschluss um 13:00 Uhr eine Pressekonferenz vor dem Justizzentrum und eine Demonstration um 14:30 Uhr geplant sind.

Die Residenzpflicht dient überdies weiterhin dazu, eine Organisierung von Flüchtlingen zu verhindern. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte, dass Asylsuchenden „kein Recht auf politische Betätigung zusteht“, Urlaubsanträge für Treffen, Demonstrationen und Kongresse werden aus diesem Grund regelmäßig abgelehnt. Unter dem Motto „Break Isolation“ wehren sich Flüchtlinge in Thüringen seit einem Jahr gegen den Zwang zum Leben im Lager und das Verbot, sich frei über Landkreisgrenzen hinweg zu bewegen. So gelingt es immer wieder, die skandalösen Vorfälle und Bedingungen in den Flüchtlingslagern öffentlich zu machen. Vorläufiger Höhepunkt der „Break Isolation“-Kampagne ist eine Demonstration am 22. Oktober 2011 in Erfurt (Aufruf: http://breakisolation.blogsport.de/2011/09/23/call/).

Kein Asylgefängnis auf dem Willy-Brandt-Flughafen in Berlin-Schönefeld!

Gemeinsame Pressemitteilung vom 14. Oktober 2011
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Flüchtlingsrat Brandenburg e.V.
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Quelle: http://fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe.php?sid=536

Was würde der Flüchtling Willy Brandt dazu sagen?

Auf dem neuen Großflughafen in Schönefeld wird ein Gefängnis für Flüchtlinge gebaut, deren Asylantrag im sogenannten Flughafenverfahren bearbeitet werden soll. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein protestieren dagegen scharf.

Für Flüchtlinge, die bei der Einreise Asyl beantragen, wird auf dem neuen Groß-Flughafen Willy-Brandt ein Gefängnis gebaut – das geht aus der Antwort der Potsdamer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.[1] Die Landesregierung rechnet mit 300 Fällen pro Jahr.

Die Hafteinrichtung soll 30 Plätze haben. Selbst Kinder sowie alleinreisende minderjährige Flüchtlinge sollen hier eingesperrt werden. Betreiber der Haftanstalt wird die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs, die soziale Betreuung wird privatisiert und an die Wachschutzfirma B.O.S.S. übertragen; eine Ausschreibung ist nicht erfolgt. Politisch verantwortlich für Bau und Betrieb der Haftanstalt zeichnen Bundesregierung und die Länder Berlin und Brandenburg gleichermaßen, die auch den Flughafen gemeinsam betreiben.

Fragwürdig, höchst umstritten….

Mit der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 wurde gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge, die am Flughafen Asyl beantragen, für das Asylverfahrens inhaftiert werden können. Eigens für sie wurde ein extrem verkürztes Asylverfahren eingeführt: Gleich nach der Ankunft werden die Flüchtlinge verhörartig nach ihren Asylgründen befragt. Binnen zwei Tagen entscheidet das Bundesamt (BAMF) über den Asylantrag. Nur binnen weiterer drei Tage können die Asylbewerber aus der Haft heraus eine schriftlich begründete Klage gegen die Asylablehnung einreichen. Wird der Asylantrag weiterhin abgelehnt, verbleiben die Asylsuchenden – ggf. über viele Monate – bis zur Abschiebung in der Haftanstalt, bis sich ein zur Rücknahme bereiter Staat findet. Als „hastig, unfair, mangelhaft“ bezeichnet Pro Asyl das Verfahren nach Auswertung von Verfahrensakten aus Frankfurt/Main.[2]

Das Grundgesetz schreibt für jede Freiheitsentziehung die schnellstmögliche Überprüfung durch ein Gericht normalerweise noch am selben Tag vor, nur im Flughafengefängnis ist keine solche richterliche Haftprüfung vorgesehen. Es handle sich nämlich gar nicht um eine Inhaftierung, so die zynische Begründung des Gesetzgebers, da ein „luftseitiges Verlassen“ jederzeit möglich sei.

….und umgehbar
Auf den meisten deutschen Groß-Flughäfen wird auf das extrem teure und umstrittene Flughafenverfahren verzichtet, weil es nur durchgeführt werden muss, wenn es eine geeignete Unterkunft im Sinne des Paragrafen 18a Asylverfahrensgesetz gibt. Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover führen keine Flughafenverfahren durch. In Berlin-Schönefeld gab es bisher nur ein bis zwei Fälle pro Jahr. Marginal sind die Zahlen auch für Hamburg, München und Düsseldorf. Nur in Frankfurt am Main werden bis zu ca. 300 Verfahren pro Jahr durchgeführt.[3] Die Prognose von 300 Fällen pro Jahr für den Flughafen BBI Willy Brandt entbehrt somit jeder Grundlage. Offensichtlich handelt es sich um ein politisches Prestigeprojekt, für das andere Motive ausschlaggebend sind.

Die Inhaftierung Schutzsuchender und ihrer Kinder sowie die faktische Verweigerung von Rechtsschutz gegen Asylablehnungen halten wir für unvereinbar mit dem Grundgesetz und der UN-Kinderrechtskonvention. Das Flughafenasylverfahren muss aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Gründen abgeschafft werden.[4]

Wir fordern Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung auf, auf Bau und Betrieb einer Haftanstalt für Asylbewerber auf dem Flughafen Willy Brandt zu verzichten. Schutzsuchenden ist wie in Berlin-Tegel die Einreise zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens zu ermöglichen.

Pressekontakt:
Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel. 030 243445762, 030 69564992

Marcus Reinert, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V., Tel. 0331 716499, 0151 50724851

Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Tel. 030 62987720

[1] Drs. 5/4096 v. 4.10.2011, www.parldok.brandenburg.de/parladoku/w5/drs/ab_4000/4096.pdf

[2] „Hastig, unfair, mangelhaft“ www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Hastig_unfair_mangelhaft.pdf

[3] Zahlen vgl. BT-Drs. 16/12742 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/127/1612742.pdf

[4] Vgl zur Kritik:
„Die Angst gehört zu meinem Alltag“ www.proasyl.info/texte/mappe/2000/41/7.pdf,
„Das ist rechtswidrige Haft für Kinder“ www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Ffm_Haft_fuer_Kinder.pdf,
„Warum das Flughafenverfahren abgeschafft werden sollte“ www.caritas-frankfurt.de/77952.html

Bleiberecht für Victor Atoe!

Quelle: http://www.humanistische-union.de/regionen/luebeck/detail/back/luebeck/article/unterstuetzung-von-victor-atoe-ein-opfer-des-luebecker-brandanschlags-fuer-die-aussetzung-der-abschi/

20 Jahre nach dem Lübecker Brandanschlag befindet sich das Opfer Victor Atoe in Abschiebehaft und kämpft verzweifelt gegen seine Auslieferung.
Die Humanistische Union Lübeck ruft die BürgerInnen Lübecks, Bürgermeister und Bürgerschaft auf, sich aufgrund unserer besonderen Verantwortung für die Brandopfer beim Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration Schleswig-Holsteins dafür einzusetzen, dass Victor Atoe umgehend aus der Abschiebehaft entlassen wird und ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhält.

10 Tage befand sich Victor Atoe im Hungerstreik
2 Monate in Abschiebehaft
Seit 1991 in Deutschland
1996 wurde er Opfer eines Brandanschlages 

 
Herr Atoe ist 50 Jahre alt und kam 1991 aus Nigeria nach Deutschland. Nach 20 Jahren ungesichertem Aufenthalt ist er nun trotz deutlicher Traumatisierung in der Berliner Haftanstalt Köpenik.

10 Tage im Hungerstreik
Seit dem 6.9.2011 verweigerte Herr Atoe die Nahrungsaufnahme, um gegen seine Inhaftierung und die bevorstehende Abschiebung zu protestieren und auf seine Situation aufmerksam zu machen. Nach einem Schwächeanfall brach er den Hungerstreik ab.

2 Monate in Abschiebehaft
Herr Atme, der sich viele Jahre in Schleswig-Holstein aufgehalten hat, wurde am 14. Juli 2011 in Berlin festgenommen und nach Köpenick gebracht. Jetzt soll hier in Amtshilfe für die Ausländerbehörde Ostholstein seine Abschiebung vorbereitet wehren.
Seit dem 28.9.2011 ist er wieder bei den zuständigen Behörden im Kreis Ostholstein.

Seit 1991 in Deutschland
1991 meldete sich Viktor Atoe bei den deutschen Behörden und beantragt Asyl. Sein Antrag wird nach vier Jahren abgelehnt.  Nach seiner Abschiebung kehrt er wieder nach Deutschland zurück und lebt  fortan das Leben eines Illegalen in Deutschland.

Opfer eines Brandanschlages 1996
In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1996 hielt sich Herr Atoe in der Flüchtlingsunterkunft in der Hafenstraße 52 in Lübeck auf – ebenso wie viele andere auch, die dort nicht gemeldet waren. In dieser Nacht wurde ein Brandanschlag auf das Haus verübt, bei dem 10 Menschen ums Leben kamen. Herr Atoe konnte sich nur mit einem Sprung aus dem Fenster retten, bei dem er sich schwer an beiden Beinen verletzte.
In der Folge des Anschlages erhielten sämtliche Bewohner des Hauses einen sicheren Aufenthaltsstatus. Von dieser Regelung war nur Viktor Atoe ausgenommen weil ihm  auch der Verstoß gegen die inzwischen in Schleswig-Holstein abgeschaffte Residenzpflicht vorgeworfen wurde.

Berichterstattung in den Lübecker Nachrichten: http://www.ln-online.de/lokales/luebeck/3248780/hafenstrassen-opfer-in-abschiebehaft und in der taz: http://taz.de/Abgelehnte-Asylantraege/%2178209/

Nachtwache gegen Roma-Abschiebung

wachbleibenDetmold: Am 13. Oktober wird es nach Informationen von Flüchtlingsunterstützern wieder einen größeren Sammleabschiebeflug aus NRW in den Kosovo geben. Es ist gut möglich, dass vielleicht auch Personen aus Lippe auf der Liste für diesen Flug stehen. Betroffen sind wahrscheinlich vor allem Roma, die zum Teil schon 10 und mehr Jahre in Deutschland leben und hier inzwischen verwurzelt sind. Im Kosovo, aus dem sie meist während des Bürgerkrieges vor etnischer Verfolgung geflohen waren, erwartet sie kaum vorstellbares Elend und ein nach wie vor diskriminierendes Umfeld. Viele internationale Organisationen raten deshalb dringend vor einer zwangsweisen Abschiebung in dieses Land ab.
Gegen die Abschiebung wendet sich die Aktion „Wachbleiben“ mit einer Nachtwache in der Nacht von Mittwoch, 12. auf Donnerstag, 13. Oktober in der Erlöserkirche am Markt in Detmold. Eventuell auch zusammen mit Betroffenen werden die Teilnehmenden ab 20 Uhr gemeinsam die Nacht durchwachen und für die Betroffenen beten. Daneben wird es ein buntes Programm mit Musik und Kultur geben; auch für das leibliche Wohl wird gesorgt sein.
Die Aktion „Wachbleiben“ ist ein breites Aktionsbündnis von kirchlich, sozial und politisch engagierten Menschen im Kreis Lippe. Es setzt sich dafür ein, dass es keine Abschiebungen von Minderheiten aus Deutschland in den Kosovo mehr gibt. Eine erste Aktion dieser Art gab es bereits am 12. April.
Interessierte sind herzlich willkommen, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Man kann auch gerne nur für zwei Stunden im Laufe des Abends dazukommen.

Mehr Infos: http://www.wachbleiben.info/

Einladung und Programm zur antirassistischen Konferenz „No Border Lasts Forever II“

NBLF2 Vom 18. bis 20. November findet in Frankfurt am Main die zweite Konferenz mit dem Titel „No Border Last Forever“ statt. Eingeladen sind Menschen, die antirassistisch tätig sind, Flüchtlinge und MigrantInnen sowie Interessierte und Neulinge. Geboten wird ein umfassendes Programm zu verschiedenen Antira-Kampffeldern und jede Menge Platz für Diskussionen, Vernetzung und Weiterentwicklung. Alle Informationen (in Kürze auch in englisch und französisch), Plakate, Flyer und Programm auf der Kongress-Homepage: http://conference.w2eu.net/